In FRIEDEN leben – wie ein Vogel im Schwarm …

Weiße Taube auf blauem Grund, eine Variante der Friedenstaube: Seit den 1980er Jahren verbreitetes Symbol der westeuropäischen, vor allem der deutschen Friedensbewegung, entworfen im Kontext des Widerstands gegen den NATO-Doppelbeschluss.
Weiße Taube auf blauem Grund, eine Variante der Friedenstaube: Seit den 1980er Jahren verbreitetes Symbol der westeuropäischen, vor allem der deutschen Friedensbewegung, entworfen im Kontext des Widerstands gegen den NATO-Doppelbeschluss.

Warum Frieden?

Nach meinem operativen Ausstieg bei der InterFace AG Ende 2014 wollte ich meine mir verbleibende Zeit, meine Fähigkeiten und mein Netzwerk für etwas wirklich Sinnvolles einsetzen. Für FRIEDEN. Weil mir FRIEDEN seit meiner Kindheit das Wichtigste auf der Welt ist.

Seitdem habe ich viel dazu gelernt.

Ich beginne zu verstehen, wie schwierig es ist, FRIEDEN zu realisieren. Nicht weil FRIEDEN an sich unmöglich ist. Sondern weil wir, unsere Sozialisierung und unsere gesellschaftlichen Systeme von Grund auf unfriedlich sind. Und weil man FRIEDEN eben nicht mit mit unfriedlichen Leben, Denken, Werkzeugen, Methoden … erreichen kann.

Warum ist mir FRIEDEN so wichtig?

FRIEDEN ist der zentrale und höchste Wert. Davon bin ich seit meiner Jugend überzeugt. Ein Leben in FRIEDEN ist die wichtigste Rahmenbedingung und notwendige Voraussetzung für individuelles und kollektives Glück. So habe ich das „Projekt FRIEDEN“ gestartet und hier im Blog regelmäßig darüber berichtet.

Ich bin selber überrascht, wieviel ich durch dieses Projekt in wenigen Monaten gelernt habe und wie sich meine Bewertung zum Vorgehen geändert hat. Wollte ich doch ganz klassisch eine starke Organisation aufbauen, die ihre Stimme kräftig erhebt und zum Beispiel gut sichtbare Aktionen für FRIEDEN durchführt.

Was war der Plan?

Ich dachte mir, dass man dazu alles so machen muss, wie ich es halt auch als Unternehmer gelernt habe und wie es wohl Stand der Kunst ist:

Man kreiert ein Logo, verfasst gute und kurze Pitches, erstellt ein Manifest (da wollte ich mich am „agile manifesto“ als Muster orientieren), entwirft eine Satzung, schreibt einen „business plan“, kreiert ein Wertesystem, generiert konstruktive Regeln der Zusammenarbeit und formuliert eine präzise Mission. Dann sucht man sich einen überschaubaren Kreise von ähnlich Gesinnten, gründet ein Projekt und stemmt es gemeinsam.

Auf dieser Basis wollte ich ganz viele Menschen gewinnen, die das Projekt FRIEDEN unterstützen. Und dann durchstarten. Und es gab viele Ideen, was diese so entstehende Organisation für FRIEDEN tun könnte. Da war z.B. der Gedanke, nicht nur aber auch herausragende Künstler, Multiplikatoren aller Art und viele Menschen guten Willens als „Mitmacher“ (und deren Kreativität und Kraft) für das Projekt zu gewinnen.

Und z.B. einen ultimativen Film FRIEDEN zu machen. Und/oder gemeinsam mit Freunden „Social-Media-Projekte“ z.B. in Snapchat aufzusetzen. Die Idee schien so einfach: Lass uns mit vielen tollen Aktionen Menschen auf wecken und mit reißen. Und deren Ideen und Kreativität nutzen. Damit die Welt versteht, dass man sich nicht rechtfertigen muss, wenn man absolut für FRIEDEN ist.

Um diese Aktivitäten finanzieren zu können, kam ergänzend der Gedanke, ein unterstützendes Unternehmen zu gründen, dessen Hauptzweck gewesen wäre, fürs „Projekt FRIEDEN“ und seine Aktivitäten Geld zu besorgen. Die meisten GnO’s (Gemeinnützige Organisationen) nutzen solche „Geld-Lieferanten“, die sie mit Geld – gegen eine durchaus beachtliche Provision – versorgen. Diese machen es meistens mit klassischen Methoden wie Bettelbriefen, persönlicher Ansprache, Fernsehaufrufen etc. Mein Gedanke war natürlich, das Ganze der Zeit entsprechend übers Internet durchzuführen, weil das sicher effizienter und kostengünstiger gehen sollte.

So dachte ich, dass wir gemeinsam ein Schneeballsystem aufbauen und so viele kleine FRIEDENs-Feuer anzünden könnten, die sich schließlich zu einem flächendeckenden FRIEDENs-Brand vereinigen würden.

Warum geht es so nicht? 

Nach vielen Gesprächen mit Freunden – besonders mit Jolly, Carmen und Gudrun – und tiefem Nachdenken habe ich verstanden, dass es genau so nicht gehen wird. Denn der Unfrieden steckt in uns und in dem System, in dem wir leben. Welches uns sozialisiert hat und unser Denken in unfriedliche Bahnen gelenkt hat. Und immer mehr erkenne ich, dass so – übrigens ganz logischerweise – (fast) alle Dimensionen unseres gesellschaftlichen Lebens kontraproduktiv für ein friedliches (Zusammen-)Leben sind. Unser Alltag ist nicht friedlich, die Feindseligkeit sitzt tief in uns so wie auch unsere Geschichten, Sagen und Märchen eben nicht friedlich sind.

Wenn wir also FRIEDEN haben wollen, dann können wir nur bei uns selbst beginnen und uns selbst verändern. Vielleicht gelingt uns das gemeinsam ein wenig besser als alleine. Vielleicht könnten wir so weitere Menschen mit diesem Bedürfnis „infizieren“. Und wenn wir genug werden, die willens und fähig sind, in FRIEDEN zu leben, dann entwickeln wir vielleicht die Kraft des Schwarms, dem das System folgen muss.

Mit den klassischen Mittel des real existierenden Systems jedoch werden wir FRIEDEN nicht erreichen. Wie der Volksmund sagt: „Den „Beelzebub kann man nicht mit dem Teufel austreiben“.

Man könnte auch sagen, dass wir von Kindheit an auf UNFRIEDEN gebürstet worden sind und immer noch werden. Die von uns generell gelebten und genutzten (Erfolgs-)Muster sind genau die Verursacher und Förderer von Parteilichkeit und Feindbildern. Schnell entstehen so Angst, Neid und Hass und letztendlich Krieg. Mit kriegerischen Verhalten können wir jedoch keinen Frieden generieren. So wie ich auch meine, dass man Toleranz nicht durch Intoleranz erzwingen kann.

FRIEDEN kann also kein Projekt sein, denn allein der Begriff Projekt entstammt einer Denke, die überhaupt nicht friedlich ist – ich erinnere nur an Begriffe wie Plan, Ziel, Termin, Ressourcen und Budget. FRIEDEN dagegen ist ein besonders gut, dass nicht mit dem traditionellen nicht westeuropäisch/amerikanischen Denken erreicht werden kann.

Ich möchte leben!

Und ich selber will auch nicht in den klassischen Mustern weiter machen, die mich über fast mein ganzes Leben geprägt und gesteuert haben. Ich will mich nicht mehr für etwas einsetzen oder kämpfen. Ich habe auch keine Lust mehr, Menschen zu überzeugen, Pläne zu schmieden, Strukturen aufzubauen, Werkzeuge einzuführen, Organisationen zu steuern, unter entstehender systemischer Bürokratie zu leiden, ehrliches Reden und Handeln der „politischen Zielen unterzuordnen“, das Mittel zu heiligen, weil es einem Zweck dient, endlose Besprechungen zu führen, Protokolle zu schreiben und immer wieder darüber zu streiten, was eigentlich gemeint ist.

Ich mag nicht mehr „managen“!

Nein, ich habe keinen Bock mehr, mich in Gruppen bis ans Ende meiner Kraft für Konsens und fragwürdige Kompromisse einzusetzen und immer wieder zu versuchen, verschiedene Meinungen unter einen Hut zu bringen. Ich will mich nicht für FRIEDEN opfern, auch weil ich Märtyrertum als unfriedlich und gutes Beispiel für eine völlig falsche Denke empfinde.

Das von mir überlegte Vorgehen – und wenn es noch so gut gemeint war – wird uns dem FRIEDEN auch nicht einen kleinen Schritt näher bringen. Einfach weil wir in einem falschen System leben und mit den falschen Methoden dieses Systems nicht das richtige erreichen und schaffen können. So wie es kein richtiges Leben im falschen geben kann.

So meine ich, FRIEDEN bekommen wir nur, wenn er sich wie von selbst entwickeln kann. Und um das zu erreichen, muss ich bei mir selber beginnen. Wenn ich achtsam bin, bemerke ich immer wieder, wie unfriedlich ich selber noch bin. Und das laufend. Dass möchte ich ändern.

Die Idee FRIEDEN ist für mich aber nicht tot. Im Gegenteil. Auch einzelne Vorhaben möchte ich weiter vorantreiben und unterstützen. Zum Beispiel würde ich immer noch gerne einen „ultimativen Film“ zu FRIEDEN machen wollen. Vielleicht hilft’s ja!?

So denke ich heute:

Wir müssen einen Weg finden, der es FRIEDEN erlaubt, sich quasi von selbst in unserer Welt zu entwickeln. So ein Weg mag noch so utopisch erscheinen, trotzdem möchte ich ihn suchen und eine schöne Utopie aufbauen.

Vielleicht finden die Menschen über schöne Utopien gemeinsam den Weg zum FRIEDEN. Dazu müssen wir uns aber wie bei allen innovativen Dingen aus dem Gefängnis unseres Denkens befreien, in dem wir – wie mir scheint – seit Tausenden von Jahren gefangen sind.

Innovation ist immer auch kreative Zerstörung. So wird der Weg zum FRIEDEN bedeuten, dass wir vieles aufgeben müssen und verlieren werden, was tief in uns steckt und uns lieb, teuer und unverzichtbar erscheint. Auf diesem Wege werden wir viele Muster brechen müssen, die Teil von uns zu sein scheinen! Und das kann weh tun, dürfte sich aber lohnen. Ich will es auf jeden Fall versuchen.

Zusammenfassung:

Mir erscheint mittlerweile als sicher:
Mit der klassischen Denke werden wir nicht weiter kommen. Wir wollen etwas Neues und müssen neue Wege gehen. So gebe ich nicht auf und suche weiter nach einem Weg in Richtung FRIEDEN.

Wir brauchen also einen Weg zum FRIEDEN, der uns Freude bereitet und den wir auch selber gehen wollen.

Diese Gedanken haben eine neue Idee geboren. Vielleicht hilft folgende Metapher bei der Suche nach diesem Weg:
Lasst uns gesunde, kräftige und friedliche Vögel werden, die als Teil eines Schwarms in FRIEDEN leben. Und so mächtig werden, das wir die Welt in Richtung FRIEDEN bewegen können.
Ich bin mir sicher, dass wir bestimmt viele Freunde finden werden. Vielleicht ist das Basis oder Anstoß für eine neue Utopie FRIEDEN – und so ein Teil der Lösung des Rätsels, das vor uns liegt.

Jolly sagt:
Man kann nicht für FRIEDEN kämpfen – wir müssen in Frieden leben.

In FRIEDEN leben – das müssen wir kräftig üben, sonst schaffen wir es nicht. So werde ich auch nicht mehr vom Projekt FRIEDEN sprechen sondern von in FRIEDEN leben. Und weiter nach Menschen suchen, die wie ich auf der Suche nach FRIEDEN sind.

Ganz vielen Dank an die Leser dieses mir wichtigen Artikels!

RMD

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5 Antworten

  1. Lieber Roland, ich kann gerade nur schlecht schreiben (habe nur die Handytastatur). Ich hinterlasse ein großes JA und ein kleines nein. Esetze das Wort Projekt durch Unternehmung … Ich melde mich ausführlicher wenn ich wier zu Hause bin Liebe grüße aebby

  2. Das „kleine nein“ ist sehr willkommen! Wir sind ja im Denken und ich hoffe, dass es jetzt erst richtig los geht mit der „Unternehmung“ … 🙂

  3. Lieber Roland,
    es ist schön, ein kleiner Teil der Transformation zu sein, welche Du hier beschreibst und vor allem: herzlichen Dank für Deine Offenheit.
    Wie Du weißt, halte ich Frieden nicht für etwas herstellbares, eher als Ergebnis von etwas. Wir sprachen bei unserem Treffen viel über Wertschätzung. Sobald ich mich selbst wertschätze bin ich nicht mehr im Krieg mit mir, sehe mich nicht mehr als Opfer von Anderen und muss daher auch nicht feindlich zu diesen Anderen sein.
    Genau an diesem Punkt beginnt Freiheit.
    Und Frieden.
    Insofern könnte es ein lohnenswerte Aktivität sein, Verfahren zu unterstützen oder ins Leben zu bringen, welche die eigene Wertschätzung verbessern hilft.
    Ich meine dies sozusagen serious, da ich mehr Menschen begegne, welche sich als Opfer empfinden, als sich wirklich gut leiden können und „stolz“ sind, Träger all der menschlichen Eigeneschaften zu sein, welche sich über Jahrmillionen entwickelt haben.
    In diesem Sinne und großer Verbundenheit
    Wolf Nkole

  4. Lieber Roland,
    beim Lesen Deines Beitrages habe ich mich gefragt, ob wir überhaupt in Frieden leben wollen (Roland: „Sondern weil wir, unsere Sozialisierung und unsere gesellschaftlichen Systeme von Grund auf unfriedlich sind“). Es fiel mir Schumpeter ein, auf den Du dich unten auch beziehst („Innovation ist immer auch kreative Zerstörung“). Insofern hat uns – hier im reichen Deutschland – der Unfrieden in den vergangenen Jahrzehnten ein gutes Leben gesichert: Wenn es großen Arbeitsunfrieden gab (hohe Lohnforderungen), haben die Maschinenbauer neue Maschinen konstruiert, mit denen die protestierenden Arbeiter wegrationalisiert wurden. Diese Maschinen wurden in der Folge exportiert und so wurde der Maschinenbau zum Wachstumsmotor.
    Alle paar Jahre gab es mal ein wenig (gesellschaftlichen) Unfrieden (68er, Protest gegen Nachrüstung bzw. Atomenergie, jetzt Flüchtlingspolitik), aber all dies hielt sich in Grenzen. Primär kämpfen wir eine Art Wirtschaftskrieg und statt andere Länder zu besetzen, sind wir stolz Exportweltmeister zu sein. Unsere Nachbarländer haben wir in Ruhe gelassen und während sich die Deutschen früher vereint hatten um gemeinsam gegen einen Feind zu kämpfen, haben sie sich hinter der Nationalmannschaft gestellt und hier ihren Gemeinschaftssinn friedlich kanalisiert („Deutschland ein Sommermärchen“ – eigentlich eine neue Form von „Brot und Spiele“).
    Insofern bin ich geneigt zu sagen, dass die „Kuh in Deutschland vom Eis“ ist. Die Frage lautet daher vielleicht, wie kann anderen Ländern so geholfen werden, dass dort der Frieden stabilisiert wird. Wir in diesem Blog können dazu beitragen, indem wir uns für eine gewisse Großzügigkeit einsetzen. Denn sobald etwas getan wird, wird es Geld kosten. Wenn wir in Deutschland dazu bereit wären, stellt sich die Frage, ob man Frieden dauerhaft kaufen kann.
    LG vom vielleicht zu pragmatischen
    Guido

    PS: Als Sarkozy vor 10 Jahren eine Mittelmeer-Union zur Stabilisierung Nordafrikas und zur Vermeidung von Migration vorschlug, soll Frau Merkel sinngemäß geantwortet haben: Nö, das kostet Geld und mit Afrika haben wir wenig zu tun. Ich hätte vermutlich ähnlich geantwortet. Was würden wir heute tun?

  5. Hallo zusammen,

    ich knüpfe jetzt an Wolfs Kommentar an … im wertschätzenden Handeln kann Frieden entstehen … viel mehr muss ich heute nicht schreiben.

    @Guido … ich befürchte wir sind selbst in Deutschland noch lange nicht durch, es gibt bei uns noch viel nicht offensichtlichen Unfrieden …

    lieeb Grüße Aebby

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