Kapitel 8

Mitgeteilt

Karl Koblewski war total geschafft als er abends heimkam. Nun war es doch passiert: ein Arbeitsunfall mit tödlichem Ausgang!

Ein Mitarbeiter einer Wartungsfirma hatte die Funktionsfähigkeit eines Ventils in einer druckführenden Leitung zu überprüfen. Leider übersah er, dass die Leitung dafür noch nicht frei geschaltet war, öffnete das Ventil und wurde von dem heißen Wasser in Bruchteilen einer Sekunde tödlich verbrüht. Jörg Bauer hieß dieser achtunddreißig Jahre junge Techniker! Welch eine Katastrophe!

“Das dauert Wochen bis wir darüber hinwegkommen und bei mir sicher noch länger“! presste Karl Koblewski tonlos aus sich heraus, nachdem er beim Abendessen von dem Unfall erzählt hatte. Gedankenverloren starrte er vor sich hin. Sein Abendbrot hatte er nicht angerührt. Alle waren erschüttert und sprachlos. Susanne versuchte Karl zu trösten, aber sie kam nicht an ihn heran……

Auch Kiki hatte betroffen zugehört. Sie fand das alles so schrecklich und die Welt so grausam! Warum war das nur so!

Selbst Nikki hatte stillgehalten; er schien zu spüren, dass heute für seine Faxen kein Platz war.

Als in den Abendnachrichten auch noch über den Arbeitsunfall berichtet wurde, und gleich kritisch hinterfragt wurde, ob dieser tragische Unfall bei höheren Sicherheitsstandards in der Anlage nicht zu vermeiden gewesen wäre, hatte Karl genug! Er drehte den Fernseher ab, warf sich mit einem vollen Glas Whisky einfach in den Polstersessel und starrte nur mehr dumm vor sich hin in der Hoffnung, sich doch irgendwann innerlich beruhigen zu können…

Er war alleine, das heißt fast alleine: Susanne war turnen gefahren, Niki lag im Bett; und nur Kiki war noch da. Und die stand plötzlich vor ihm und hielt ihm die blauen Einwickelpapiere unter die Nase!

Er schaute sie fragend an und brütete wieder dumpf vor sich hin; seine

Körpersprache war Ablehnung, er wollte in Ruhe gelassen werden!

Da sich Kiki aber bei ihrem Papa noch nie darum gekümmert hatte, was sein Körper grad so sprach, blieb sie beharrlich neben ihm stehen: ihr war klar, dass sie geduldig sein musste, überhaupt heute!

„Diese blauen Einwickelpapiere hab’ ich gefunden und rate mal wo?“, sagte sie dann so, als hätte sie etwas Lustiges zu berichten.

„Na wo schon, vermutlich vor der Post!“ brummte Karl Koblewski und schlürfte einen mächtigen Schluck Whisky in seinen frustrierten Körper, obwohl er wusste, dass dieser Teil seiner Körpersprache nicht so arg vorbildhaft war.

„Nein – da nicht, aber dafür bei der Suffsusl im Hof“! sagte Kiki cool, wohl wissend, was diese Botschaft gleich bewirken wird.

Aber noch war es nicht soweit, denn Karl Koblewski sagte etwas zerstreut, „soll das heißen, dass die Suffsusl nun einen auf Gesund macht und Hustenbonbon lutscht, oder was? Da wäre sie ja sogar vernünftiger als ich!“

Aber plötzlich klickte es und dies trotz Whisky! So war das immer man musste ihm nur Zeit geben und warten können.

„Eigentlich“, sagte er ohne irgendeine Erregung zu zeigen, “hätte man da schon längst von selbst draufkommen können. Das ist doch die logischste Sache der Welt!“

Kiki nickte.

Obwohl ihr Vater alles bisher ganz ruhig aufgenommen hatte war die Angelegenheit heikel, das wusste sie: hoffentlich kam er nicht gleich mit der Polizei und seinem Wurzer!

Karl Koblewski wusste was seine Tochter dachte.

„Eigentlich müsste man die Polizei verständigen!“, sagte er.

„Bitte nicht, die stecken den Udo doch sofort in eine Anstalt, egal ob er’s war oder nicht“.

„Vermutlich – und vielleicht wäre das gar nicht so schlecht für ihn, denn ganz unschuldig ist er ja wohl nicht, sonst hätte man ihn doch damals nicht mit den geklauten Sachen erwischt! “

„Ja – aber wenn der einmal in einer Anstalt sitzt, kommt er doch da nie wieder raus, und das wär’ nicht gerecht!“

„Was heißt hier gerecht? Was ist schon gerecht, Kiki?“

„Gerecht wäre, wenn du nicht gleich zur Polizei gingest, Papa, sondern erst mit der Suffsusl reden würdest!“

„Na du bist mir vielleicht ein Spaßvogel, Kiki! Und was ist, wenn die Suffsusl mit dem Udo unter einer Decke steckt? Hm? Wenn sie ihn vielleicht am Ende sogar zu den Einbrüchen angestiftet hat?“

„Aber Papa – die Suffsusl und der Udo! Wie passt denn das zusammen! Vielleicht so wie ´Bonnie und Clyde´, oder was? Das ist doch echt zum Lachen, das glaubst du doch selbst nicht!“

„Wer weiß, man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen!“

„Ach Gott, wieder diese Sprüche, echt ätzend!“

Und dann begann Kiki, wie schon so oft, ihren abgeschlafften Vater zu bearbeiten, da sie überzeugt war, dass das der einzige Ausweg war: Karl Koblewski musste mit der Suffsusl reden!

Aber der, verspürte keinerlei Lust, da er eh genug um die Ohren hatte.

Kiki ließ nicht locker, sie redete und redete und hörte erst auf, als man Susanne vom Turnen heimkommen hörte.

Und da Carl Koblewski eine weitere Kampffront überhaupt nicht gebrauchen konnte, flüsterte er schnell Kiki zu, „also gut ich rede mit ihr, aber kein Wort zu Mama und kein Wort zu deiner Bande, verstanden!!“

„Okay, geht klar“, flüsterte Kiki und verschwand in ihrem Zimmer bevor Susanne Koblewski sie noch sah.

Die Gelegenheit mit der Suffsusl zu reden kam schneller als Karl Koblewski wahrhaben wollte. Der Wirbel im Kraftwerk und mit der Presse, setzte ihm, dem verantwortlichen Sicherheitsingenieur, mehr zu als er sich eingestehen mochte.

Um drei Uhr morgens war die Nacht für ihn in der Regel gelaufen, egal, wann immer er sich am Abend schlafen legte. Und der Übergang war wie immer gleich: kaum wach, stritt er sich schon mit den Presseleuten und anderen Klugscheißern herum! Die Diskussion hörte nicht auf, sie ging Tag und Nacht in einer ewigen Leier bruchlos weiter in seinem Kopf.

Der Schlaf fehlte ihm natürlich tagsüber! Oft schlich er wie ein geprügelter Hund durch die Gegend, ausgelaugt und innerlich verunsichert. Aber was half’s, da musste er durch und lernen die Dinge, die er nicht ändern konnte einfach zu ertragen: es kamen auch wieder bessere Zeiten.

Es war entsetzlich kalt zu dieser frühen Stunde, als Carl Koblewski zu seiner nächtlichen Runde aufbrach. Den ganzen Februar lagen zwischen den Häusern noch die schmutzigen Schneehaufen und jede Nacht drohte dichter Nebel Rodenbach zu ersticken.

Die Suffsusl ließ sich aber auch von diesem Wetter nicht abhalten, denn als er in die Kirchstraße einbog, tauchte sie wie sein Schatten, mit ihren beiden Kötern auch schon aus der milchigen Nebelsuppe auf und wackelte auf ihn zu. Koblewski wechselte diesmal nicht die Straßenseite, wie er es sonst immer getan hatte, sondern wünschte freundlich eine „gute Nacht!“ Noch im Vorbeigehen merkte er, wie erstaunt die Suffsusl war. Offensichtlich war sie aber so perplex, dass sie keine Möglichkeit mehr hatte seinen Gruß zu erwidern

Die nächste Nacht war’s ähnlich. Aber Karl Koblewski gab sich einen Ruck, er sagte, „das Wetter wird immer schlimmer, bald sieht man überhaupt nichts mehr!“

Die Suffsusl blieb erstaunt stehen und krächzte, „können Sie auch nicht schlafen, junger Mann? “

„Nein auch nicht!“ sagte Koblewski verlegen, da ihn diese Vertraulichkeit in ihrem Ton störte.

„Bei mir ist es das Alter, von Jahr zu Jahr schlafe ich weniger! Aber meine Hunde freut’ s, je weniger ich schlafe, umso mehr gehe ich mit ihnen spazieren!“

Und noch ehe Koblewski etwas erwidern konnte, fragte sie „und warum schlafen Sie nicht, das Alter kann’s ja bei Ihnen nicht sein; sie sind ja noch viel zu jung!“ Sie grinste und legte dabei mehrere Zahnlücken frei!

Koblewski spürte die beiden Hunde an seinen Beinen herumschnüffeln und hätte ihnen am liebsten einen Tritt gegeben.

Er bemühte sich gelassen zu bleiben und sagte freundlich, „das Schlafen hängt nicht nur vom Alter ab, es ist auch eine Nervensache.“

Und Nerven brauchte man bei der Suffsusl, die Duftwolke, die sie umgab raubte ihm fast die Luft. Er spürte, dass er nahe dran war, etwas Unpassendes zu sagen. Daher verabschiedete er sich abrupt und setzte seinen nächtlichen Rundgang fort.

Als er endlich wieder in seinem warmen Bett lag, war er mit sich selbst unzufrieden, er hatte das Gespräch nicht richtig geführt. Da hätte sich bestimmt mehr rausholen lassen, wenn er etwas geduldiger und einfühlsamer gewesen wäre.

Kiki war natürlich über den Misserfolg ihres Papas auch nicht begeistert, das ging alles wieder furchtbar zäh. Und man konnte auch nicht verstehen warum das so sein musste.

Und zu allem Unglück, zumindest, was den Udo betraf, schlief Karl Koblewski dann plötzlich wieder gut. Wie durch ein Wunder gelang es ihm auf einmal allen Ärger zu verdrängen und behaglich die ganze Nacht durch zu schlafen. Kiki gönnte ihrem Vater zwar den Schlaf, aber der Sache Udo war das nicht dienlich. Wer wusste schon wie lange das jetzt dauerte, da konnten Wochen vergehen. Sie verstand das mit dem ‚Schlecht – Schlafen‘ sowieso nicht: sie schlief immer gut, egal, wie sehr sie sich ärgerte, es sei denn, und das musste sie schon zugeben, der graue Mann erschien in der Nacht. Das war dann so, als tauchte sie mit einem Male in eine wundersame geisterhafte Welt Und da konnte es auch passieren, dass sie vor Aufregung nicht schlafen konnte, denn irgendwie spürte sie, das nur eine winzige Kleinigkeit passieren musste, damit sie in diese Geisterwelt hineinschweben konnte, wie eine Elfe… Und das war bestimmt ein unbeschreiblich schönes und erlösendes Gefühl. Vielleicht konnte ihr ja der graue Mann dabei sogar helfen?

KH

 

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