ZEUGNIS ABGEBEN – Mein Boss hat gesagt …

Mein Boss hat gesagt,
dass er diesmal berichten will, wie sich die Weiterbildung in den Unternehmen (nicht nur) über die Jahrzehnte verändert hat. Deswegen spricht er in der Ich-Form.


„Für Werkstudenten bei Siemens (zumindest in meinen Umfeld in den 70iger Jahren) gab es keine Weiterbildung. Diese war den „Festangestellten“ vorbehalten. Das war auch kein Schaden, denn vieles was ich damals Lernen mußte, bekam ich „on the job“ oder aus Lesen & Üben einfach so (man könnte sagen „automatisch) mit. Und ich hatte gute Lehrmeister.

Wie ich dann Ende der 70iger festangestellt war, beim großen Elektrokonzern mit dem Anspruch „wir machen alles, was mit Strom zu tun hat“, wurde ich einige Male auf Kurse in die „Schule für D“ geschickt und lernte dort neue Programmiersprachen und ähnliches.
So ein Kurs dauerte bis zu einer Woche. Man lernte viel und hatte auch eine Menge Spaß. Toll war es, dass es am Ende des Kurses keine Prüfung gab! Man bekam kein Zeugnis mit Noten, sondern nur eine Teilnahmebescheinigung. Ich meine, dass dies dem Zeitgeist der 60iger Jahre geschuldet war und empfand es toll und total befreiend.

Heute ist das vor allem im fachlichen Bereich anders geworden. Man lernt wieder ausschließlich für die Prüfung – meistens alleine im Dialog mit einer IT-Anwendung. Dann kommt die Prüfung, die meistens aus einer Art „multiple choice test“ besteht.

Am Schluß geht es nur um

die erreichte Punktzahl. Und die Frage, ob man die Prüfung bestanden hat? Das ganze ähnelt der Theorie-Prüfung beim Führerschein, einem guten Beispiel für Wissensbulimie (Wissen schnell reinschlingen und nach der Prüfung wieder auskotzen).

Dieses eigenartige Verfahren nennt man „Zertifizierung“! In den Lebensläufen der Industrie sind Zertifikate wichtiger als akademische Artikel. Es wimmelt nur noch so von Abkürzungen und buzzwords, die man sich regelmäßig in Erinnerung rufen muss, um im Bullshit-Bingo bestehen zu können. 

Bei Ausschreibungen und Bewerbungen dominieren mittlerweile Preis, buzzwords und Zertifikate. Und je höher die Zertifikate, wie z.B. der schwarze Gürtel des project managers (PM), desto teuerer und aufwändiger ist es sie zu bekommen. Aber auch desto besser die Aussicht auf den Auftrag.

Das bedauere ich und denke fast wehmütig an den Begriff Zeugnis. Zeugnis kommt von „Zeugnis abgeben“, also bezeugen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man am meisten lernt, wenn man übt und übt und übt … und dabei von einem Meister geleitetet und unterstützt wird. Und wenn dieser Meister bezeugt, dass dieser Mensch für die Aufgabe der richtige ist, dann war das für mich der richtige Kandidat.

Man soll ja möglichst nur Mitarbeiter einstellen, die besser sind als man selber. Die findet man nur, wenn man nach Menschen sucht, die bei einem solchen Meister gelernt haben und von ihm empfohlen werden. Bei Studenten war das ein geschätzter Professor oder Betreuer.  

Zeugnisse und Zertifikate haben mich eigentlich nie interessiert – und das war gut so.“


Anmerkung:
Da ich diesmal in die Rolle des „mein Boss“ geschlüpft bin, habe ich nichts anzufügen. Außer, dass ich mich freuen würde, wenn meine eigenen Zeugnisse für fremde Menschen auch zuverlässig waren.

RMD

P.S.
Das Bild ist übrigens aus dem technischen Museum in Rio (Nähe von Patras) von unserer Radfahrt rund um den Peloponnes.

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