Raucherunternehmensgewinne

4Kommentare

🙂 Sitze im Zug von Verona nach München, bin gerade in Trento. Es ist Sonntag Mittag, 12:05. Die Nacht war kurz, denn Carmen gestern in der Arena lang (und schön) und der Zug hätte heute früh um 9:05 losfahren sollen.

🙁 Der Zug hatte (und hat) aber zwei Stunden Verspätung.

So genieße ich, dass ich Zeit zum Zeitung lesen und Twittern und Bloggen darf.

Im Wirtschaftsteil der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ lese ich gerade einen Artikel über die Tabakindustrie. Reemtsma kommt da als Paradebeispiel vor. Reemtsma ist übrigens mittlerweile Tochter von „Imperial Tobacco“, einem der großen „Global Player“ des Tabaks wie A.-E. Inbev beim Bier. Mit Reemtsma assoziere ich „Ernte“ – die habe ich mit 14 eine Zeit lang geraucht, bevor ich dann auf Rothändle und Gauloise (natürlich ohne Filter) gewechselt bin.

Da erfahre ich, dass Reemtsma im letzen Geschäftshalbjahr bei einem Umsatz von 470 Millionen einen Gewinn von 234 Millionen EURO gemacht hat. Das entspricht einer Umsatzrendite von 50 %. Da ist Inbev übrigens harmloser, die machen nur so 30 % Marge … Irgendwie weiß ich, warum ich keine „Global Player“ mag, die meinen, sie müssten ganze Branchen und alle ihre Konsumenten weltweit dominieren.

Im gleichen Artikel wird Warren Buffet zitiert:

Man produziert Zigaretten für einen Cent, man verkauft sie für einen Dollar. Sie machen abhängig, und die Verkäufer bleiben ihrer Marke treu.

Das hat er vor mehr als 20 Jahren gesagt. Später soll er seine Meinung geändert haben.

Aber ein Problem hat die Tabakindustrie:

Die jungen Menschen rauchen weniger.

Ich zitiere weiter aus der FAZ am Sonntag:

Für die Industrie ist es am lukrativsten, wenn Jugendliche früh mit dem Rauchen beginnen. Die treuen Raucher, die bis ins mittlere und hohe Alter Tabak konsumieren, haben früh angefangen – mit 12 bis 15 Jahren.

Wer dagegen erst im Alter von 18 und darüber mit Zigaretten in Berührung kommt, ist deutlich weniger gefährdet, Raucher zu werden und zu bleiben.

Der Wirtschaftsjurist Michael Adams wird zitiert:

Zigaretten sind ein Geschäft mit Kindern.

und

Die Entscheidung, eines Minderjährigen, mit dem Rauchen zu beginnen, ist die kostspieligste Entscheidung seines Lebens, dabei würden 80 % den Konsum bereuen.

Das alles weiß die Industrie auch. Lesen wir weiter im Text:

Die Tabakbranche hat sich eine Selbstbeschränkungen in der Werbung auferlegt. Sie wirbt nicht mehr mit Prominenten, beschäftigt nach eigenen Angaben keine Models unter 30 Jahren und macht keine Reklame in der Nähe von Schulen mehr. Anzeigen in Magazinen sind ohnehin inzwischen verboten.

Dafür plakatiert die Industrie weiter eifrig. Und auch sonst lässt sie das junge Publikum nicht aus den Augen.

Natürlich unterstelle ich Imperial Tobacco, dass die insgeheim ganz schön kräftig an der Entwicklung des Rauchermarktes bei Jugendlichen und Kindern arbeiten.

Ich setze die Lektüre fort und finde weiter Spannendes:

Lokalverbote und die Begrenzung der Reklame schaden den Zigarettenunternehmen nur unwesentlich. Was ihnen weh tut, sind Tabaksteuererhöhungen. Sie haben die Zigarettennachfrage vermindert, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Für Industrieländer wie die Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland führen Zigarettenpreiserhöhungen um 30 % aufgrund höherer Steuern zu einem Rückgang der Verkaufsmenge von 12 %. Noch empfindlicher aber reagieren Jugendliche auf die Verteuerung von Zigaretten. Sie kaufen um 36 % weniger, wenn der Preis um 30 % steigt.

Der Jugendschutz war einer meiner Hauptgründe, für einen sehr strengen Nichtraucherschutz zu stimmen.

Auch mir tut die Eckkneipe „mit dem rauchenden Wirt und ihren vier rauchenden Stammgäste“ leid. Es ist nicht schön, wenn Menschen aus schwierigen Milieu, die in sozialer Einsamkeit leben, so vielleicht ihren letzten sozialen Rückzugsort verlieren, nur weil man dort nicht mehr Rauchen darf und sie darauf nicht verzichten können oder wollen.

Aber meine – wie ich hoffe sittlich verantwortete – Güterabwägung ging eindeutig davon aus, dass die Reduzierung der Einstiegsmöglichkeiten in den Tabakkonsum für Jugendliche z.B. in Diskotheken oder „Intellektuellen-Kneipen“ wichtiger ist als das sich Wohlfühlen alter Raucher.

Dies umso mehr, da für die fast alle Menschen mit einer starken Abhängigkeit von harten Drogen der Einstieg über die Zigarette ging.

Deswegen war mir ein  klares und einfaches Gesetz zum Nichtraucherschutz (besonders für Kinder und Jugendliche) wichtig.

Dass die Tabakindustrie schlechtere Zahlen schreiben könnte bzw. sich auf Nischencharakter reduziert, stört mich nicht. Diese Industrie hat lange Jahrzehnte exzellent für ihre Shareholder verdient. Eine Rendite von 50 % empfinde ich gerade bei einem bisher ziemlich Risiko freien Geschäft als unmoralisch, wenn ich an die Besonderheiten des Genussmittels Tabak denke, sogar als kriminell.

RMD

P.S.
Könnte mir übrigens vorstellen, dass auf der Wiesn viele junge Menschen zumindest ihre erste Zigarette geraucht haben.

4 Antworten

  1. Schade, im letzten Satz holst du die Keule heraus und stempelst die Marge als „unmoralisch“ oder „kriminell“ ab, triffst aber knapp daneben.

    Tatsächlich ist es doch aufgrund der Besonderheiten des Genussmittels Tabak erfreulich, wenn eine hohe Umsatzrendite eingefahren wird, denn das weist auf überteuerte Preise und damit künstlich reduzierte Absatzmengen hin. Und gerade das ist es doch, was Jugendliche vor dem Rauchen schützen kann.

  2. Hallo Enno,

    ich finde, dass bei jedem Geschäft die Rendite immer in einem gesunden Verhältnis zum Risiko des Geschäftes stehen sollte. Natürlich gibt es „Ausnahmen von der Regel“ 🙂 .

    Zum Tabak: Es könnte aber sein, dass der Markt gar nicht „künstlich verknappt“ wird, sondern die Angebotsseite ganz einfach vom Suchtpotential profitiert und so einen hohen Preis und entsprechend hohe Marge durchsetzen kann.

  3. Doch doch, bei einem Preis P in negativer Abhängigkeit von der angebotenen Menge Q:
    I. P(Q)=a-b*Q (für a, b >0)
    und nicht sinkende Kosten pro zusätzlich produzierter Einheit c (was vermutet werden darf, weil wir sonst Verdrängungswettbewerb hätten), und gleich großen Produktionsmengen q=Q/n pro Wettbewerber bzw.Q=n*q, ist der Gewinn des Herstellers
    II. G=(a-b*n*q)*q-(c*q). (Preis multipliziert mit der Menge abzüglich Stückkosten mal Menge , hier einfach mal konstante Stückkosten c unterstellt.)

    Zur Gewinnmaximierung G nach q ableiten und gleich Null setzen (im Gewinnmaximum darf der Gewinn durch eine Änderung der Produktionsmenge nicht vergrößerbar sein, sonst wäre es kein Maximum).
    Dann nach q ableiten, um die optimale Outputmenge q* zu erhalten:
    III. q*=(a-c)/((n+1)*b).
    Also ist die optimale Menge aller Unternehmen gemeinsam:
    IV. Q*=n*q*=n*(a-c)/((n+1)*b).
    Die Menge Q* in I einsetzen, um den sozial optimalen Preis zu erhalten, ergibt den optimalen Preis p*:
    V. p*=a-n*((a-c)/(n+1))

    Ableiten von IV und V nach n (oder intuitiver: Überlegung, wie p* und Q* von n abhängig sind) zeigt, dass p* mit steigendem n fällt, während Q* mit steigendem n sinkt.

    Ich hoffe, das war bis hierhin noch erträglich.

    Für hohe n ist p*~=c. Für kleine n ist p*>c.
    Im Zigarettenmarkt entfielen in den 80ern 99% Marktanteil auf Morris, Brinckmann, Reemtsma, Reynolds, British-American-Tobacco. Da das Bundeskartellamt damals keine weitere Konzentration zugelassen hat, schätze ich, dass es heute nicht viel anders aussieht.
    Mit einem geringen Unternehmenszahl n=5 erreicht der Markt aber ganz automatisch verknappte Outputs Q*, überhöhte Preise p*>c und damit hohe Gewinne.

    Ich finde die Konzentrationsbewegung in der Tabakindustrie sogar sehr angenehm, weil es in der Zukunft für noch weniger Zigaretten führen wird, allein aus dem Eigeninteresse der Unternehmen.
    Die deutsche Tabak-Lobby ist übrigens daran zerbrochen, dass Morris angefangen hat, Werbeverbote zu unterstützen: Sie hatten eine so große Marktmacht erreicht, dass sie die Konkurrenz loswerden wollte, indem sie den eigenen Markt verkleinert hat.

    Die Tabakindustrie ist allerdings auch schon fast der einzige Fall, in dem ich mich über Marktmacht auf Produzentenseite freue.

  4. As usual, I agree with Enno, even though I am too lazy to check his economic maths. The high profit relative to production cost must be due to the difficulty that new firms have breaking into the market. Perhaps governments permit effective nationwide cartels, because they don’t want to drive down cigarette prices?
    I suppose these profits have relatively little effect on retail prices, as the tax is very high?
    I presume these profits largely go to shareholders. So the share price will be high relative to turnover. The return on shares may still be higher than usual, because many people won’t want to invest in misery. But I and others do not know where their life-insurances and pension funds invest.

    I hope any mistakes will be corrected.

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