Der Tod ist Teil des Lebens.

oder
Die Ethik des Abendlandes

In diesem Artikel versuche ich, die Brücke von Tausenden Jahre Erziehung und Sozialisierung, die mich geprägt haben, zu meinem einfachen „Glauben“ zu schlagen. Zweifle ich doch seit meiner Jugend an der Moral, die mir vermittelt wurde und mit der ich mit meinen eigenen Gedanken heftig im Konflikt stand.

Dem „Entweder Oder“ versus dem „Sowohl als auch

Der binäre Code des abendländischen Denkens ist auf Dualität aufgebaut. Die Beispiele sind bekannt.

  • wahr/falsch
  • gut/ böse oder gut /schlecht
  • gerecht/ungerecht
  • Recht/Unrecht

Die Paradoxie des binären Code

Ich stelle die Frage:
„Wie wahr sind die im Rahmen dieser Dualität getroffenen Bewertungen?“ Kann man sie einordnen als

  • wahr/falsch
  • gut/ böse oder gut /schlecht
  • gerecht/ungerecht
  • Recht/Unrecht

Und schon merken wir, dass etwas nicht stimmt!

Das Gedankenspiel kann man fortsetzen

„Epimenides, der Kreter, sagte: Alle Kreter sind Lügner.“ (Quelle Wikipedia)

Es stellen sich Fragen: Ist der Kreter Epimenides ein Lügner? Müßte er ja sein! Denn alle Kreter sind ja Lügner. Aber was ist wenn, Epimenides gelogen hat? Was ja bei einem Lügner wahrscheinlich ist. Dann würde zumindest ein Kreter ja die Wahrheit sagen?

Der binäre Code generiert eine grausamen Ethik

Das Beispiel macht schnell klar, wir fragwürdig die Anwendung des binären Codes ist. Schon der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass die Kreter halt auch nur Menschen sind. Die halt mehr oder weniger oft lügen – wie alle Menschen.

Jürgen Habermas war und ist ein wichtiger Philosoph in der erwachsen werdenden Bundesrepublik. Er hat in der abendländischen Tradition gelehrt. In seiner Geschichte der Philosophie, Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen und Band 2: Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen, Suhrkamp, Berlin 2019 schreibt er.

„Die Welt besteht aus allem, worauf wir in wahren Aussagen Bezug nehmen können.“

Ich habe Habermas gemocht und geschätzt. Seine Vision des „redlichen Diskurs“ hat mich begeistert. Mit der obigen Definition kann ich aber nicht viel anfangen.

Was sind Aussagen? Für mich sind sie die Wiedergabe von Beobachtungen. Wahre Aussagen wären dann korrekte Wiedergabe von Beobachtungen. Was machen wir dann, wenn aber die Beobachtungen nicht wahr sind. Gibt es das überhaupt, wahre Beobachtungen?

Gibt es den freien Willen?

Bisher waren das ja alles nur witzige Gedankenspiele und Logeleien. Bedeutungsvoll wird es, wenn ich dem Menschen aufgrund solcher Überlegungen einen freien Willen unterstelle und ihn für sein Handeln verantwortlich mache. Und getreu dem binären Code seine Handlungen – und ihn selber – als „schuldig“ oder „unschuldig“ abstempelt. Und mir anmaße ihn zu richten und angemessenen zu bestrafen.

Verantwortung, Schuld und Strafe – ein grausames Dreieck

Wieviele Kinder haben gelitten oder leiden unter dieser binären Logik. Ihnen wurde eingebläut, dass sie eine Verantwortung haben, richtig zu handeln. Und dass sie bestraft werden müssen, wenn sie Schuld auf sich geladen haben,

Und wenn man dann noch die Ethik bemüht und Metriken und Algorithmen für Entscheidungsfindungen bemüht, dann fühle ich mich gar nicht mehr wohl.

Der Tod

Die Verdrängung und Tabuisierung des Todes in unserer Gesellschaft. erscheint mir genauso ein Problem wie die Überbewertung des Todes. Das Bewahren von Menschenleben hat bei uns oberste Priorität. Gleichzeitig fordern die Anhänger eines ethischen binären Codes oft sogar die Todesstrafe. Ich empfinde das als weiteres entsetzliches Paradox.

Wir haben eine Trauerkultur. Wir leiden unter dem Tod und halten öffentlich Gedenken. Die Fahnen werden auf Halbmast gesetzt und die Fußballer tragen Trauerflor, es wird kollektiv gedacht.

Der Tod ist ein Teil des Lebens.

Es ist ein letztes großes Abschied nehmen. Ich versuche mich, mit ihm vertraut zu machen. Weil das Alte vergeht um dem Neuen Platz zu machen.

Das fällt mir nicht leid. Schon als Kind habe ich die mir von katholischer Erziehung aufgepresste Indoktrinierung „vom Leben nach dem Tode“ und „der Trübsal auf der Erde“ aufgekündigt. Die Annahme, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, hat mir es nicht leichter gemacht. Auch nicht, dass es dann ja auch keine Hölle mehr geben kann.

Sonntagmorgens sollte ich in die Messe gehen. Damit ich in den Himmel und nicht in die Hölle komme. Meine Füße haben mich nicht zur Kirche St. Anton in Augsburg sondern in den Wittelsbacher Park mit seinen großen Bäumen getragen.

Wenn es einen Gott gibt, habe ich ihn dort gefühlt und nicht in der dumpfen und düsteren Kirche. Und dann habe ich mir überlegt, wie das sein wird, wenn ich tot bin. Und mir wurde klar, dass es wohl so sein dürfte, wie es vor meiner Geburt war. Das war mir ein großer Trost. Und dass das Leben im Zeitraum zwischen Geburt und Tod stattfindet.

Und ich bin unserer Gesellschaft sehr dankbar, dass ich diesen „Glauben“ bis heute behalten durfte. Und mich keinen göttlichen Wahrheiten unterwerfen muss.

RMD

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