Das Torturmtheater

Nebenbei: Was ChatGPT mit Theater zu tun hat.

Zurzeit leide ich ja unter einer gewissen Trägheit, was das schriftliche Verfertigen meiner Gedanken angeht. Das liegt daran, dass ich einerseits glaube, dass eigentlich NICHTS so wichtig ist, dass es gesagt werden muss.

Anderseits vermute ich, dass unsere Gehirne Worte zu Texten ganz profan aneinanderreihen. Ohne viel Verstand und Überlegung, einfach so antrainiert. Genauso wie ChatGPT es auch macht. Nur dass ChatGPT eine breitere Basis hat, als es ein einzelnes menschliches Gehirn haben kann. Und das ist mir eigentlich zu blöd.

Die moderne Gehirnwissenschaft und die Künstliche Intelligenz lehren uns, dass wir Menschen eben nicht die kreativen und vernünftigen Wesen sind, die ausgestattet mit einem Freien Willen über die Fähigkeit zum rationalen Diskurs verfügen. Für die haben wir uns nur gehalten.

🙁 Das klingt ernüchternd. Wir müssen es akzeptieren, auch wenn es uns schwerfällt. So wie die feinen Damen am viktorianischen Hof entsetzt waren, wie sie von Darwin erfahren haben, dass sie vom behaarten Menschenaffen abstammen, obwohl sie sich als die Krone der göttlichen Schöpfung gefühlt haben.

Ähnlich geht es uns heute. Wir lernen gerade, dass unsere „klugen Botschaften“ auf dem uns andressierten (gelernten) Aneinanderreihen der Wort nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit basieren. Und quasi automatisch vom Unterbewusstsein generiert werden.

🙂 Menschliche Gehirne und Systeme der KI arbeiten beide als „neuronales Netz“. Sie funktionieren so. Und die Ergebnisse klingen dann (beim Menschen wie bei ChatGPT)  klug oder dumm, schön oder häßlich, lieb oder böse, er- oder entmutigend, richtig oder falsch, wahr oder unwahr … und dies je nach Einstellung.

Das mag für uns Menschen ernüchternd sein. Aber das muss noch lang nicht schlecht sein. Es ist nur anders, als man bisher dachte. Weil das Unterbewusstsein so viel mächtiger ist als der Teil des Gehirns mit der Vernunft.

Etwas anderes gibt es aber auch noch! Und wahrscheinlich ist dies viel wichtiger, als das, über das wir uns im Alltag so kümmern oder ärgern. Das ist die Kunst, wie Theater oder Musik. Und oft haben wir hier die wirklich wichtigen Erlebnisse.

Auch ich finde da immer viel Schönes und Wichtiges! Am Dienstag Abend hatte ich wieder so ein Jahrhunderterlebnis. Ich war im Torturmtheater in Sommerhausen und habe dort das Stück „KEINER HAT GESAGT, DASS DU AUSZIEHEN SOLLST“ von Nick Hornby sehen dürfen. Meisterlich gespielt von Nicola Trub und Boris Pietsch und in Szene gesetzt von Oliver Zimmer. Es war (wie der Titel leicht verrät) eine Beziehungsgeschichte und es hat so richtig gefunkt.

Das Stück am Dienstag hat mich so begeistert, dass meine Schreibhemmung weg ist. Und schon ist der Artikel fertig. Denn davon muss ich einfach erzählen. Ich muss schreiben, damit mehr Menschen die Chance haben, zu diesem ganz besonderen Erlebnis zu kommen.

Mein Leben war nach dem Stück gleich wieder ein ganzes Stück schöner. Ich finde neuen Sinn! Erstaunlich, was der intensive Dialog eines Paares in eineinhalb Stunden bei mir ausgelöst hat.

Das intime Torturmtheater ist der richtige Rahmen für solche Stücke. Man merkt, dass dort ein großer Künstler und Mensch in Person von Veit Relin gewirkt hat. Das Erlebnis beginnt im Foyer und geht durch den ganzen Abend und alle Räume.

Mein großer Dank gebührt Angelika Relin. Sie hat das Theater über so viele Jahre bewahrt! Und mit ihrer Handschrift weitergeführt. Jedes Jahr bringt sie mehrere neue und fantastische Stücke auf die Bühne! In einer atemberaubenden Emotionalität und Qualität!

Das fängt an bei der Auswahl der Stücke. Meistens sind es herausragende zeitgenössische Stücke. Sehr oft von weiblichen Autoren! Die von herausragenden Regisseuren produziert und mit genial passenden Schauspieler:innen besetzt werden. Und wir dürfen dann tolles Theater genießen, das komplett von ihr organisiert wird!

Und „nebenher“ schafft sie auch noch die Finanzierung, was bei so einem kleinen Theater eine weitere Riesenherausforderung ist. Damit das Torturmtheater das bleiben kann, was es immer war:

Das kleinste und gleichzeitig größte Theater der Welt!

Danke, Geli!

Dein Roland

RMD

P.S.
Besucht das Theater!
Die Inszenierung von „KEINER HAT GESAGT, DASS DU AUSZIEHEN SOLLST“ läuft noch bis zum 10. Juni. Und dann kommen in 2023 noch drei besondere Stücke dazu.
Auch nicht schlecht:
Von München kommt man jetzt übrigens mit dem RE 80 ohne Umsteigen nach Winterhausen, von dort ist es nur ein kurzer Spaziergang über den Main nach Sommerhausen ins Theater. Ein Grund mehr sich das 49EURO-Ticket zu leisten.
Der Weg nach Sommerhausen lohnt sich!

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