Kapitel 17

Durchgesagt

Für die Kontra–Bande war die Sache mit dem Udo Seidler noch lange nicht erledigt!

Nach wie vor, war nicht klar, was mit Udo passieren würde, wenn er eines Tages aus dem Versteck auftauchte. Man wusste weder, wie weit er für seine Mitwisserschaft bestraft würde, noch wie die alten Seidlers reagierten!

„Beide Fragen müssen geklärt sein, bevor Udo sich in Rodenbach wieder zeigen kann“, sagte Kiki bei dem wöchentlichen Bandentreff im Garagenhauptquartier.

„Ach was muss den da viel geklärt werden, der Udo soll einfach zu seinen Eltern gehen, alles Weitere findet sich dann schon“, meinten Simon und Vera, die endlich was tun wollten, damit der Udo aus seiner Gefangenschaft kam.

„Nur jetzt keine jüdische Hast“, warf Lutz ein und versuchte seine viel zu langen Beine auf einen der schwarzen Kartons so zu lagern; wenigstens fünf Minuten wollte er einmal ruhig sitzen können ohne ständig herum -zappeln zu müssen, denn das nervte tierisch!

„Immerhin könnte es ja sein, dass der Udo sich bei der Susl ganz wohl fühlt und gar nicht zu seinen Eltern zurück will ! Wer weiß das schon von uns, hm?

Und wenn die Susl das auch will, dann sollte man die beiden doch lassen und ihnen nicht dreinreden!“

„Die Frage ist nur, wie die überhaupt über die Runden kommen?“ fragte Klara, „denn Geld haben die ja beide nicht“!

„Und außerdem“, rief Benedikt sichtlich erregt dazwischen „müssen die Rodenbacher auch endlich zugeben, dass sie dem Udo Unrecht getan haben!“

Ja, bei diesem Punkt waren sich alle einig! Es musste nur sichergestellt werden, dass der Udo wirklich von keiner Seite mehr angefeindet wurde, wenn er in Rodenbach auftauchte!

Das Erste worauf man sich nach einer mehrstündigen Diskussion einigen konnte, war eine Flugblattaktion!

Die Flugblätter, die Karl Koblewski dann, als kleine Wiedergutmachung, für die Kontras in seinem Büro kopiert hatte, wurden von Lutz und Klara am Sonntag nach Muttertag vor der evangelischen Kirche und von Simon und Vera vor der katholischen Kirche verteilt…

HELFT UDO SEIDLER

ER WURDE ZU UNRECHT BESCHULDIGT!

Er war an keinem

der Einbrüche beteiligt!

Er wurde zu Unrecht beschimpft und verdächtigt

und ist vor Angst untergetaucht!

Sollte er jemals wieder in Rodenbach auftauchen,

ist es unser aller Christenpflicht, ihm zu helfen und

Ihm eine faire Chance zu geben!

Udo Seidler darf nicht länger wie ein

Ausgestoßener behandelt werden!

Helft bitte alle mit, dass er nicht länger Angst vor

Rodenbach haben muss, das wäre eine Schande für uns alle!!

Die Freunde Udo Seidlers

 

Die Leute staunten nicht schlecht als sie dieses Flugblatt in die Hände bekamen.

Und natürlich waren die Meinungen geteilt. Viele stimmten den Kindern zu, andere schüttelten den Kopf und warfen die Flugblätter gleich vor der Kirche verärgert wieder weg!

„Was bilden sich diese Fratzen ein!“ schimpften sie, „in so einem Ton mit uns Erwachsenen zu reden! Das ist eine bodenlose Frechheit! Und das auch noch am Sonntag vor der Kirche! Dreister geht’s nicht mehr!!“

Doch den größten Aufreger machte der Besuch beim Bürgermeister!

Das hatte es in Langenwaden noch nicht gegeben, dass sieben freche Bälger, eingewickelt in ihre grünen Schals beim Bürgermeister vorsprachen! Was war das für eine Welt heutzutage!

Aber der Bürgermeister, der in aller Form von der Kontra–Bande um dieses Gespräch gebeten worden war, sah das weniger verkrampft und hatte eingewilligt!

Er empfing die eigenwilligen jungen Bürger seiner Gemeinde sehr freundlich und hörte ihnen auch mit großem Ernst zu, als sie ihr Anliegen in Sachen Udo Seidler aufgeregt vortrugen.

„Ich verstehe euer Anliegen nur zu gut“, sagte er dann, „und ihr könnt mir glauben, dass niemand die Familie Seidler mehr bedauert als ich!

Die hat es wirklich hart getroffen! Und den Udo ganz besonders, der eigentlich nur den Manfred auf den rechten Weg bringen hatte wollen. Das ist besonders ungerecht,“ sagte er.

„Und ich verspreche euch gern, dass ich mit vielen Rodenbachern reden werde, um das wieder einigermaßen ins Lot zu bringen. Da müssen wir uns leider alle an der Nase nehmen und zugeben, dass wir uns schwer geirrt haben und mit unserer Hetzerei Udo ein schweres Unrecht und viel Leid zugefügt haben!“

Und nach einer Pause schaute er in die Gesichter der Kontras und sagte,

„mir ist es ja nach wie vor ein Rätsel, wie der Udo so spurlos verschwinden konnte? Hoffentlich ist ihm nichts passiert! Das würde alles nur noch schlimmer machen!“

Die Kontras zeigten keinerlei Reaktion, sondern schauten seltsam starr auf den großen Besprechungstisch vor ihnen….

„Aber“, sagte er dann lachend und machte eine Handbewegung, die alle trüben Gedanken wegzuwischen schien, „vielleicht muss man sich ja um den Udo überhaupt keine Sorgen machen! Vielleicht ist der sogar besser aufgehoben, als wir alle denken. Und vielleicht gibt’s sogar Leute in Rodenbach, die das wissen, aber den Udo schützen wollen? Wer weiß das schon!“

Kiki spürte, wie es bei diesen Worten des Bürgermeisters hochkroch und wie ihr Gesicht immer roter und roter wurde, ohne dass sie dagegen auch nur das Geringste tun konnten…

Zum Glück hatte der Bürgermeister nach einem kurzen Blick auf Kiki mehr zum Fenster hingeredet, obwohl es da überhaupt nichts Spannendes zu sehen gab!

Als er die ganze Bande dann verabschiedete, bedankte sich Kiki für die zugesagte Unterstützung und versprach, falls mit Udo alles klappte und er wieder in Rodenbach auftauchte, ihm einen grünen Schal zu stricken, und Ebru wollte die grüne Rollrandmütze machen.

Der Bürgermeister lachte und sagte, dass er sich darüber freuen würde, allerdings müsste er vorher noch mit seiner Frau reden, ob er die Sachen tatsächlich tragen dürfe!

In Rodenbach machte dieser Besuch natürlich in wenigen Tagen die Runde.

Kiki machte das nichts aus, auch wenn sie manchmal blöd angequatscht wurde und den andern machte es auch nichts. Im Gegenteil, sie waren sogar mächtig stolz auf ihre Aktion. Irgendwie hatten sie alle das Gefühl doch ein bisschen etwas bewegt zu haben. Und damit dieses Bisschen nicht allzu schnell verpuffte, gingen sie gleich die nächste und hoffentlich letzte Aktion in dieser Sache an: geplant war eine Suchmeldung der alten Seidlers im Radio und zwar so, dass Udo sie auch hören konnte! In dieser Meldung sollten seine Eltern ihn bitten, wieder zu ihnen zurückzukommen und gleichzeitig sollte ihm zugesichert werden, dass er nichts zu befürchten habe und – in keine Anstalt muss!

Die Frage war nur, wie man so etwas am besten machte, und wie man die alten Seidlers dazu brachte mitzumachen. Das war gar nicht so leicht.

Aber Kiki, die Chefin, war zuversichtlich.

Sie setzte auf ihren Papa! Der hatte ohnehin noch Einiges gutzumachen. Und Susanne unterstützte ihre Tochter auch, da sie sich nichts sehnlicher wünschte, als ein möglichst rasches Ende dieser leidigen Geschichte, damit ihre ´liebe Familie´ endlich einmal auch wieder an etwas Aderes dachte und über etwas Anderes redete, als über diesen Mist!

Da Karl Koblewski keine Chance sah, gegen die geschlossene Phalanx seiner Frauen zu bestehen, machte er sich schließlich eines Abends auf den Weg zu den Seidlers, um mit ihnen die geplante Suchmeldung zu besprechen.

Man kann nicht sagen, dass Koblewski von den alten Seidlers warmherzig empfangen worden wäre, als er so überfallartig bei ihnen aufkreuzte.

Dazu waren die beiden Alten in letzter Zeit zu scheu und störrisch geworden. Sie verstanden die Welt nicht mehr und niemand konnte ihnen das verdenken.

Für sie war es unendlich schmerzhaft und bitter gewesen, dass ausgerechnet ihr Manfred, der doch ihr ganzer Stolz war, in so eine schändliche Sache verwickelt war und auch noch den eigenen behinderten Bruder reingelegt und verraten hatte!

Darüber kam Georg Seidler einfach nicht hinwegkam. Dass man so etwas tun konnte, ging in seinen alten Schädel nicht mehr hinein; egal wie viel Stunden er sich damit schon abgequält hatte!

Mit Karl Koblewski konnten die alten Seidlers zunächst überhaupt nichts anfangen. Sie wussten zwar, dass er der war, um den es damals den Wirbel wegen des Alten im Steinbruch gegeben hatte, aber näher kennen gelernt, hatten sie ihn nie. Und diese komische Kontra–Bande kannten sie natürlich schon gar nicht! Warum auch?

In seiner Ratlosigkeit, sagte Koblewski einfach, dass ihn der Bürgermeister schicke; erst als er das sagte, bot ihm der alte Seidler einen Stuhl in der Küche an und setzte sich selbst zu seiner Frau auf die Küchenbank

Aber leichtes Spiel hatte Koblewski immer noch nicht!

Er musste schon alle seine Überredungskünste aufbringen, um die beiden störrischen Alten für seinen Plan zu gewinnen. Sie waren so verbittert, dass sie hinter allem nur eine neue Hinterhältigkeit witterten. Sie wollten von nichts mehr wissen, sie hatten sich mit ihrem Los abgefunden und wollten nur mehr ihre Ruhe haben, und dass Udo noch am Leben war, glaubten sie ohnehin nicht mehr!

Koblewski versucht vorsichtig, den beiden Alten wieder Hoffnung zu machen! Er machte Andeutungen, dass durchaus noch Chancen bestünden Udo zu finden, und dass es außerdem möglich war, dass er sich die ganze Zeit über irgendwo versteckt gehalten habe!

Die ganze Wahrheit wollte er noch nicht sagen. Das passte im Moment nicht und außerdem war es dazu jetzt zu spät. Im Nachhinein nahm sich dieses ganze Theater mit der Suffsusl etwas blöd aus, und die Geheimniskrämerei auch und die Angst wegen der Anstalt auch…

Nach zwei Stunden reden und einer Flasche Bier war’s dann soweit, dass Georg Seidler seine Einwilligung zu der Radiodurchsage gab.

Karl Koblewski formulierte mit ihm gleich noch den Text der Durchsage und erklärte sich bereit alles Notwendige zu arrangieren. Frau Seidler, die die ganze Zeit über schweigend dabeigesessen war, hatte gelegentlich genickt, aber dann immer gleich zu weinen angefangen.

„Es tut mir leid“, sagte Koblewski beim Abschied zu ihr, „wenn ich alte Wunden wieder aufgerissen habe“ und drückt ihr länger als üblich die grobe schwielige Hand.

„Das geht schon in Ordnung“, sagte Seidler, „wir wissen ja, dass sie uns helfen wollen! Aber das ist neu für uns! Wir sind das nicht mehr gewöhnt“ sagte er mit viel Bitterkeit in der Stimme und ging ins Haus zurück.

Ja und da Karl Koblewski auch noch alles mit der Susl abgesprochen und sie Sorge getragen hatte, dass Udo den Aufruf seiner Eltern im Radio hörte, stand er eines Tages spät abends daheim vor der Haustür!

Er setzte ein paar Mal an, die Türklingel zu drücken, aber jedes Mal verließ ihn der Mut!

Als Georg Seidler wie jeden Abend das Haustor abschloss und noch einmal auf die Straße schauen wollte, sah er ihn stehen.

Regungslos stand er in dem aus dem Hausflur kommenden Licht und schaute seinen Vater an

Der alte Seidler sagte“, Udo, du?“ ging auf ihn zu und umarmte ihn mit großer Heftigkeit. Udo stammelte unverständliches Zeug und klammerte sich mit aller Kraft an seinen Vater. Nachdem sie eine Weile so gestanden waren rief Georg Seidler ins Haus zu seiner Frau, dass der Udo da sei, und führte ihn hinein.

Als Frau Seidler endlich durch die Ströme von Tränen wieder durchschauen konnte, war sie erstaunt, wie gut ihr Udo ausschaute! Immer wieder strich sie über sein Gesicht und seine Kleider und fragte „wo warst denn nur Udo? Wo hast du denn die ganze Zeit über gesteckt? Wie geht’ s dir denn?“

Aber Udo konnte nichts antworten. Er umarmte seien Mutter und gurgelte und würgte, als würde er an seiner Zunge ersticken…

Mit viel Geduld gelang es den Seidlers nach und nach herauszufinden, wie alles gewesen war.

Dass ausgerechnet diese Schlampe von einer Suffsusl ihrem Sohn geholfen hatte, stimmte sie zwar nicht froh, aber sie nahmen es hin.

„diesem versoffenen Luder hätte ich das nie zugetraut“ brummte Georg Seidler.

Und als auch Berta sagte, „dieser Frau muss man sehr, sehr dankbar sein“, strahlte Udo übers ganze Gesicht!

Und dann bestätigte er auch, dass er schon lange von Manfreds Einbrüchen gewusst hatte, und er hatte gehofft, dass Manfred Angst bekäme und aufhören würde, wenn er merkte, dass jemand sein Versteck kannte. Aber leider hat der Manfred immer weitergemacht!

Und als Udo ein paar Tage später im Beisein seiner Eltern von der Polizei verhört wurde, sagte er das gleiche. Er sagte auch, dass er froh war mit seiner Flucht den Verdacht auf sich gelenkt zu haben, denn um ihn wär‘ eh nicht schade!

Die Seidlers hatten nach alldem was sie gehört hatten nichts mehr dagegen, dass ihr Udo wieder zur Susl zurückging – Hauptsache er war glücklich!

KH

 

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