Also jetzt kommt nach dem Thriller ein Roman! Und zwar eine Story  für  jung gebliebene Jugendliche und  jung  gebliebene ältere Herrschaften: immer am Sonntag und Donnerstag kommt ein Kapitel – insgesamt sind es 13 Kapitel. Mal sehen wieviel dieses mal durchhalten auf Facebook in meiner Story…

 

Kapitel 3

Diese Augen…

Über Ostern hatte ich die Sache mit dem Blumentopf beinahe vergessen. Und von dem alten, grauen Mann hatte ich Gott sei Dank auch nicht mehr geträumt. Vielleicht war ja ein Wunder geschehen und ihm schon geholfen worden….

Ich war jedenfalls um diese Zeit viel mehr mit meinen neuen Rollschuhen beschäftigt, die ich zu Ostern bekommen hatte und mit dem tollen Hockeyschläger. Meine neuen Knieschoner waren auch irre gut, da hatten sich meine „Osterhasen-Eltern“ echt angestrengt. Toll!

Endlich konnte ich auch beim Rollhockey auf unserem Rollschuhplatz mitmachen. Als Mädchen hatte man es eh schwer; da war’s schon gut, wenn man wenigstens in einer super Ausrüstung daherkam.

Aber ein paar Idioten hatten natürlich noch immer etwas gegen mich. Überhaupt der Ulli Mützel. Und der Dirk Schnur war auch so ein Rindvieh: Dabei schaute der Ulli eh wie das Krümelmonster aus. Aber so ist das ja immer. Und der Dirk hatte ganz schwarze Zähne, wär’ für alle angenehmer gewesen, wenn er für immer seine Klappe gehalten hätte.

Da ich ziemlich gut auf den Rollschuhen war, hab’ ich den beiden bald ordentlich eingeheizt. Schon nach den ersten paar Spielen wollten die anderen mich lieber in ihrer Mannschaft haben als den Dirk. Und als er frech wurde sagte ich,

„He, borg dir doch von deiner Oma lieber das Gebiss aus bevor du den Mund aufmachst, das sieht bestimmt besser aus!“ Da die andern ziemlich kicherten hat er einen roten Ballon bekommen. Das war echt cool! Aber mein Freund wurde er dadurch natürlich nicht;

Dem Ulli Mützel ist das blöde Gequatsche auch bald vergangen, als ich ihn ein paar Mal brutal ausgespielt habe. Einmal hab’ ich ihn so aufdotzen lassen, dass er fast geheult hat, der Mützel!

Am Sonntag nach Ostern fing Papa plötzlich wieder mit dem blöden Blumentopf an.

„Vor ein paar Tagen, Kiki, habe ich so nebenbei einmal, Herrn Hirsch, unseren Hausherren, über unseren guten alten Fliederstrauch befragt. Stell dir vor, diesen Fliederstrauch hat der Hirsch gleich nach dem Krieg bei einem dieser Hausierer gekauft, die damals überall herumgezogen sind, “

„Echt?“, fragte ich und war geplättet.

„Ja, ganz gegen seine übliche Gewohnheit, wie er sagte, hat er bei diesem Mann eine Ausnahme gemacht und ihm den Fliederstock für ein paar Pfennige abgenommen.“

„Irgendwie, hat der Hirsch gesagt, hat ihm dieser Mann leidgetan; und er war auch anders als die anderen Hausierer gewesen. Bei ihm hatte er den Eindruck, dass er, vor oder während des Krieges etwas Besseres gewesen sein musste. Selbst in seinen verlotterten Kleidern wirkte er noch irgendwie vornehm“.

„Na du machst es aber spannend“, sagte ich, in der Hoffnung, dass Papa etwas schneller zur Sache kam. Ich wollte auch noch zu Vera.

Aber Papa ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Am meisten hätten ihn seine Augen beeindruckt hat der Hirsch gesagt. Der Hausierer hätte riesige, wässerige Augen gehabt, total abnormal; die werde er nie vergessen!“

„Was für wässerige Augen“, fragte ich, als wüsste ich davon nichts.

„Weiß ich auch nicht, müssen aber schon irgendwie eindrucksvoll gewesen sein. An den Handwagen, den der Hausierer hinter sich herzog, konnte sich der Hirsch auch noch erinnern. Da war nur Kram drauf: Schnürsenkel, rostige Haarnadeln und Taschenmesser, verbogene Nägel, gebrauchte Schrauben, Gummiringe, leere Marmeladegläser, altes Geschirr und so weiter und so weiter.

Und zwischen dem ganzen Ramsch sind die Fliederstöcke gestanden.

Ganz kräftige Pflanzen; und alle in schönen roten Blumentöpfen, die damals eine Seltenheit waren. Der Alte wollte immer nur eine Pflanze pro Kunde abgeben und nahm nur ein paar Pfennige, das war schon komisch, aber zu der Zeit gab es ja etliche solche Spinner, da hat man sich gar nicht weiter gewundert“.

„Wieso gewundert?“

„Weiß ich nicht, aber der Hirsch wusste, dass die Pflanzen offensichtlich nichts taugten; sie sind nirgends richtig angegangen, auch bei Schmidts in der Gartenstraße nicht“

„Ja, wenn die die Pflanzenstöcke alle gleich mit den Töpfen in die Gärten reingeschustert haben wundert mich das nicht“ sagte ich etwas ärgerlich, da mir plötzlich alles so gewöhnlich und normal vorkam. Wo war denn das Geheimnis geblieben, das mich bisher so fasziniert hat.

„Das mit dem Blumentopf war ein Missgeschick gewesen“ warf Papa ein.

„Der Hirsch hat den Fliederstrauch gleich noch am selben Abend eingesetzt; als der Blumentopf aber bei einer ungeschickten Bewegung in das ausgehobene Pflanzloch rollte und zerbrach, war er verärgert, schlug gleich mit der Schaufel nochmals drauf damit er richtig kaputt war, tat etwas Erde darüber und setze den Fliederstrauch nicht gerade sorgfältig einfach drauf. Ja so ist das gewesen,“ sagte Papa, nickte vielsagend mit dem Kopf und trank den letzten Schluck Bier aus seinem Glas.

Und ich saß ratlos und etwas verstört da und wusste nicht was ich sagen sollte.

„Viel mehr wusste der Hirsch auch nicht über diesen seltsamen Mann. Es hatte zwar geheißen, dass er eine Zeit lang im aufgelassenen Steinbruch hinten im Wald gehaust haben soll, aber nichts Genaues wusste man nicht!“

„Was in unserem Steinbruch hinten, wo wir auch mit der Waldjugend schon waren und der jetzt wegen seiner Pflanzen geschützt ist?“

„Exakt der! Hier haben die Leute unseres Ortes während des Krieges immer wieder Schutz vor den Bomben der Engländer und Amerikaner gesucht.“

„Das ist ja toll“

„Einige dieser Leute sollen sich sogar richtige Höhlen in die Steinbruchwände gebuddelt haben und länger Zeit darin gewohnt haben“.

„Wie die Höhlenkinder in dem Buch das wir haben?“

„So natürlich nicht, aber so ähnlich! Diese Höhlen soll es ja auch noch nach dem Krieg gegeben haben, gut möglich, dass er da in einer gehaust hat.“

Diese Höhlengeschichte gefiel mir natürlich schon wieder besser, denn in solchen Höhlen gibt es immer viele ungelöste Rätsel, wie man aus alten Büchern weiß; und Zauberer haben da auch gewohnt.

„Hirsch hat den Mann auch noch ein paar Mal mit seinem Handwagen durch den Ort zockeln gesehen, aber von einem auf den anderen Tag war er dann plötzlich verschwunden und wurde nie mehr gesehen.“

„Na ja er kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben“, meinte Papa noch.

„In Luft nicht, aber immerhin könnte er verzaubert worden sein“, ergänzte ich leise.

„Ach, Kiki, du immer mit deinen Zauberphantasien, das tut ja richtig weh“, stöhnte Papa.

„Hoffentlich erzählt ihr diesen Schmarren von dem komischen Alten nicht noch im Ort herum, sonst glauben die Leute wirklich, dass die Koblewskis nicht ganz sauber im Oberstübchen sind“, sagte Mama zwar lachend aber doch mit einem Anflug von Sorge.

„Wir werden uns hüten“, sagte Papa. „Aber koscher ist die Sache nicht, das spür’ ich im Urin“!

„Du mit deinem sensiblen Bläschen“, spöttelte Mama

Ich war begeistert von Papa, sein steigendes Interesse gefiel mir natürlich, was ich mir aber nicht anmerken ließ. Ich konnte ihm doch nicht schon wieder einen Kuss geben. Da musste man vorsichtig sein, sonst glaubte er gleich wunder was und drückte mir wieder bei jeder Gelegenheit ein Küsschen auf die Backe. Ich war froh, dass diese Zeit vorbei war, wenngleich Papa und Mama immer mal wieder meinten, ich sei ziemlich spröde. Aber sei’s drum, war mir auch egal.

Und da ich so in guter Stimmung war, wollte ich mir wenigstens gleich noch mal den Blumentopf anschauen, vielleicht konnte man doch noch etwas entdecken. Alleine wollte ich aber nicht gehen, das war mir zu unheimlich.

„Komm ich geh mit“, sagte Papa, „wenn’s auch umsonst sein wird, ich habe mir den Topf zwischenzeitlich bestimmt hundert Mal angeschaut; aber außer den schon bekannten Buchstaben ist nichts zu entdecken“.

Und Papa hatte recht, ich konnte auch nichts finden. Trotzdem fühlte ich mich besser danach.

Aber in der Nacht saß dann wieder der alte graue Mann auf meiner Spielzeugtruhe.

Diesmal standen die Blumentöpfe mit den Kerzen gleich um seine Füße herum.

Und wie letztes Mal saß er nur da, allerdings aufrecht, die Hände im Schoß und weinte. Ich wunderte mich, dass er so lautlos weinen konnte: ich hörte kein Schluchzen, kein Schniefen, nichts!

Ich sagte auch nichts von einem Taschentuch, sonst war er gleich wieder fort, das wollte ich auf keinen Fall. Ich spürte, dass ich unbedingt mit ihm reden musste; das musste doch möglich sein!

Und das tat ich auch, nachdem wir zusammen lange genug in die flackernden Kerzen gestarrt hatten

Ganz leise und vorsichtig fragte ich wieder,

„Kann ich Ihnen helfen, dass Sie nicht mehr so weinen müssen?“

Und was ich nicht für möglich hielt geschah plötzlich. Aus seinem tränennassen Bart drang ein gurgelndes Gemurmel…

„Ich kann Sie nicht verstehen“, sagte ich vorsichtig, „bitte sprechen Sie etwas lauter“. Da von dem grauen Mann keinerlei Reaktion kam war ich mir nicht sicher, ob er mich verstanden hatte. Vielleicht sprach er ja gar nicht unsere Sprache. Andererseits wollte ich auch nicht aufdringlich sein und wartete geduldig ab, ob er noch einmal etwas zu sagen versucht.

Ich saß echt ewig auf meinem Bett und spürte wieder wie ich immer müder und müder wurde und dann, als mir fast schon die Augen zufielen sah ich, dass er zu weinen aufgehört hatte, ja es ging sogar ein leichtes Zittern durch seinen Körper. Mit einem Ruck, der ihn viel Kraft zu kosten schien wandte er mir sein graues Gesicht zu und ich schaute auf einmal auch in diese großen wasserhellen Augen, die mich aber gar nicht zu sehen schienen, sondern durch mich durch in eine weite Ferne starrten…

„Ich muss weinen bis ich erlöst werde!“, sagte dann eine Stimme, die von überall herkommen konnte; da ich es aber so wollte, bildete ich mir ein, dass es seine Stimme war. Sie klang auch so warm und bittend. Wie ferngesteuert hörte ich mich sagen,

„Ich werde Sie erlösen, ganz bestimmt; Sie müssen mir nur glauben“! Aber kaum hatte ich es gesagt begann ich selbst schon daran zu zweifeln; ich wusste ja gar nicht wie das gehen sollte.

Aber da der alte Mann wieder zu weinen anfing behielt ich meine Zweifel für mich, sagte stattdessen, „glauben Sie mir doch bitte, ich werde Sie ganz bestimmt erlösen“

„Und Papa hilft mir dabei!“ schob ich noch nach, obwohl es mir gleich leidtat, dass mir das herausgerutscht war. Was musste der graue Mann von mir denken?

Und was dachte Mama, die auf meinem Bett saß, als ich aufwachte und mich streichelte,

„Du musst aufstehen, Kiki, es ist gleich sieben Uhr“ und ihre Stimme klang genau so warm und vertraut, wie die des grauen Mannes!

KH

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