„Die Crux mit Strategie und Planung“ oder „Verflixte Opazität“

Oder auch: Klagelied eines Unternehmers

Man sagt, dass jedes Unternehmen und jeder Unternehmer eine Strategie braucht. Das ist Generalmeinung. Ich war mir da nie so sicher. Natürlich braucht man einen Peil, was das Unternehmen machen und wo es hin soll. Und muss dieser aber „strategischen“ Ansprüchen genügen?

Kann so etwas Sensibles und Facettenreiches wie ein aus Menschen bestehendes Unternehmen wirklich geplant werden? Ich halte das für ähnlich fragwürdig wie die Planung einer Schlacht im Sandkasten oder eines Fußballspiels an der Taktiktafel. In der Regel planen beide Parteien einen erfolgreichen Schlacht- oder Spielverlauf. Dann kommt es „erstens anders als man zweitens denkt“ und entweder gewinnt einer von beiden oder keiner! Und die Erklärungen, warum die Schlacht  oder das Spiel verloren wurde, sind oft genauso fern der Realität wie es die Planung war.

Sicher braucht ein Unternehmen ein Ziel und ein wohl überlegtes Vorgehen. Aber die Planung darf nicht einem 5-Jahresplan eines volkseigenen Betriebs (VEB) ähneln. Sie sollte eher eine Simulation sein, die zeigt, dass das Unternehmen unter realistischen Annahmen aller Wahrscheinlichkeit nach vernünftig existieren kann.

Vor kurzem war ich in einem interessanten Workshop in Zürich. Das Thema war Strategie. Vier Gründer von IT-Firmen aus der Schweiz waren im Workshop vertreten. Sie berichteten die strategische Arbeit in ihrem Unternehmen. Und haben ihre „Strategie“ vorgestellt, sowohl vorwärts (wie um sie gerungen wurde) und rückwärts (wie sie aus heutiger Sicht erklärt werden kann). Dabei ist auch ein für mich damals neuer Begriff gefallen: die Opazität. Hochspannend!

Unternehme(r)n ist immer aufregend. Jedes Jahr neue Erkenntnisse, Überraschungen, Schlüsse, ungeplante Entwicklungen, Einstellen von Aktivitäten, „umplanen“, Chancen erkennen und versuchen diese zu nutzen …

Ein anderer Unternehmer hat bei einem anderen Workshop berichtet, dass jeder Einzelne des Führungsteam, von dem er Teil war, genau weiß, wohin das Unternehmen gehen soll. Sie hätten ihre Strategie betreffend eine viel höhere Einigkeit als gelegentlich über die Wege zur Umsetzung.

Aber sie wären sich auch einig, dass man Strategie nicht aufschreiben dürfe. Strategie wäre so vielseitig und facettenreich, dass sie durch Aufschreiben stark vereinfacht und profan werden würde. Und so ihre Kraft und Faszination verlieren würde.

Man sieht, mit der Unternehmensstrategie ist das so eine Geschichte. Hier meine aktuelle Sicht auf Unternehmensstrategie. Strategie kann sein:

Eine Chance, gemeinsam zu lernen.

Strategische Arbeit kann helfen, in einem Führungsteam gemeinsam zu analysieren und von einander zu lernen. Man kann versuchen, zusammen den Markt besser zu verstehen, die eigene Position klarer zu bewerten, vorhandene Probleme und Chancen entdecken, „learned lessons“ zu üben …

Aber das hat nichts mit dem Aufbau von Kopfgeburten oder gar einem Wolkenkuckucksheim zu tun, wie es oft als Ergebnis einer „echten“ Strategie erwartet wird.

Das gemeinsame Formulieren einer Geschichte.

Im Strategie-Meeting können Geschichten zu einer gemeinsamen Geschichte zusammen gebracht werden. Und das ist wichtig. Wie schön, wenn alle Mitglieder eines Führungsteams bei getrennter Befragung die gleichen Fragen mit kompatiblen Antworten beantworten können.

Peil entwickeln und eine Linie vorgeben.

Es ist nützlich, wenn die Mitarbeiter den Eindruck haben, dass ihre Führung weiß, wo es hingeht. Strategische Arbeit kann so gerade in schwierigen Zeiten, wenn gerade auch die Führung sehr wohl weiß, dass es keine einfachen Lösungswege gibt, den Mitarbeitern vermitteln, dass die Unternehmensführung die Dinge unter Kontrolle hat und konkrete Lösungen sieht (auch wenn dem nicht so ist bzw. gar nicht so sein kann).

Die Kraft der sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Ab und zu erfüllt sich die Planung fast von selbst. Bei ehrlicher Betrachtung weiß zwar keiner warum, aber schadet das?

„Der Weg ist das Ziel“

Klingt kühn, ist aber sehr ernst gemeint. Denkt man in langfristigen Maßstäben, dann ist vielleicht Überleben bzw. gesundes Wachstum das einzig vernünftige Ziel. Und dazu braucht man Werte und besondere Stärken. Die Pflege der für das Unternehmen lebenswichtigen Assets ist so durchaus auch ein Ziel, das zentrale Strategie sein kann. Oder auch nur zur Selbstverständlichkeit wird. Aber in vielen Fällen ist es nicht so, dann macht es wirklich Sinn, wenn man  Selbstverständlichkeiten zur zentralen Strategie erklärt.

So gesehen finde ich es wichtig, permanent gemeinsam über die Zukunft eines Unternehmens nach zu denken. Das bringt mehr als eine  “Strategische Planung” mit tollen Visionen. Man bedenke, dass es kein weiter Weg von der Vision zur Halluzination ist.

RMD

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