Computer Vintage #6 Bargeldlos Essen im Kasino (ab 1972) ♫

Essen hält nicht nur Körper und Seele zusammen. So spielt es im Leben des Studenten wie des Werktätigen eine zentrale Rolle. Auch uns HighTec Ingenieure der modernen Datenverarbeitung bei der Siemens AG lockten die Kantinen im großen Werksgelände am Standort Hofmannstraße. Besonders bei schönem Wetter ging es heraus aus unserem Bau in der Ortenburgstraße, der mittägliche Spaziergang ins Stammgelände war eine schöne Abwechslung, gut geeignet zum frische Luft schnappen. So ließen wir unseren „Haus-Bäcker“ links liegen und machten uns auf den Weg ins Kasino. Bei Siemens gab es damals gutes Essen. Es gab Frühstück, Mittag- und Abendessen. Wir als „weiße Kragen“ gingen meistens nur zum Mittagessen. Das Abendessen nutzten wir nur gelegentlich, wenn eine „Spätschicht“ angesagt war.

Bezahlt wurde damals auch schon bargeldlos. Der Prozess war gnadenlos einfach – echt „cheap design„. Es gab Automaten, in die konnte man DM-Münzen einwerfen und die spuckten dann eine Anzahl grüner, roter oder gelber Metallscheibchen aus. In der Mitte der Scheiben war ein Loch, außenherum eine (vergessene) Inschrift. Für die grünen bekam man ein Essen I, für die roten ein Essen II und für die gelben Marken wahlweise eine Extra-Beilage, einen Salat oder eine Nachspeise. Die Suppe war im Preis inbegriffen. Am Ausgang gab man dann entsprechend seiner Auswahl eine oder zwei Marken ab, das war es.

Das Essen wurde damals aus großen Töpfen und Pfannen ausgegeben. Man nahm sich ein Tablett und stellte ein typisches Kantinengeschirr aus Porzellan mit 4 Fächern (2 waren größer und 2 kleiner) darauf und ging zur Essensausgabe. Dort konnte man durch „Spracheingabe“ auf die Größe der Portion Einfluss zu nehmen. Man musste nur sagen „Bitte weniger“ oder „Bitte ein wenig mehr“ von diesem oder jenem. Dem entsprechend bekam man von der meist freundlichen und ab und zu knurrigen Dame einen größeren oder kleineren Schöpfer (oder ein großes oder kleines Stück). Meistens wurde aufgegessen und es ging weniger Essen in den Abfall, eigentlich doch auch ein Wert.

Wie ich meinen Abschied von der Hofmannstraße nahm und nach Neuperlach ging, hat die grüne Marke DM 1,60 gekostet, die rote 2 Mark und die gelbe 30 Pfennige. Zu Beginn meiner Werkstudentenzeit 8 Jahre früher hieß das Kasino noch Kantine, das grüne Essen kostete 1,20 und das rote 1,50, die Nachspeise 20 Pfennig. Das waren dann umgerechnet 60 Cent für ein vollwertiges Mittagessen inklusive Suppe. Und damals haben ältere Kollegen auch schon davon erzählt, wie billig das Essen in der Kantine noch vor der letzten Preiserhöhung gewesen wäre.

Das Essen in der Siemenskantine war damals wesentlich billiger und deutlich besser als in der neuen Mensa der Technischen Hochschule München (TH München) in der Arciss-Straße. Ein Grund mehr, immer mehr Zeit von der THM (später TUM – U für Universität) zu Siemens zu verlagern. Dort hatten wir den direkten Zugriff auf moderne Rechner, beliebig Rechenzeit, eine zumindest die IT betreffend bessere Bibliothek und spannende Projekte. Wir haben wahnsinnig viel gelernt – und bekamen auch noch Geld dafür. Es war eine gute Zeit. Auch deswegen bieten wir guten Werkstundenten gerne interessante Aufgaben bei InterFace an.

Aber zurück zum Essen. Braucht man das vielfältige Angebot in den modernen Kantinen mit „dem Fisch des Monats“, Grill- und Steakwochen, exotischen Landesspezialitäten und vielem mehr wirklich? Wie überall werden die Namen schicker (und englischer), die Uniformen des Personals aparter, die Freundlichkeit sehr konstant, aber sie wirkt oft doch recht antrainiert. Für das Abrechnungssystem braucht man ein Rechenzentrum, wahrscheinlich fließen die Daten ins SAP-System ein. Leiser und menschenfreundlicher sind die Kantinen aber deswegen nicht geworden

In Neuperlach in der Kantine war dann alles schicker, aber Teller und Besteck waren Einmalgeschirr aus Plastik (aus Kostengründen!). Aber zu Neuperlach komme ich dann später.

Ja, da hat er wieder geweht, der „Wind of change“, nicht ganz so positiv wie bei den Scorpions (Vorsicht Musik!).

RMD

P.S.

In Wikipedia gibt es auch einen Artikel zum „Wind of Change„.

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