Endlich wieder ein neuer Carl ! Dabei geht es Carl bei dieser Hitze gar nicht gut…
Carl und Gerlinde (78)
Nein – Carl war an diesem späten Dienstagabend wirklich nicht zu genießen.
Vielleicht war es die unmenschliche Hitze, die schon seit Wochen über dem Land hing, sowie diese gottverdammte Trockenheit, die fast alle Vertreter männlichen Geschlechts tagsüber und bis tief in die Nacht hinter vollen, halbvollen und leeren Bierflaschen und Bierkrügen festnagelte.
Auch Carl saß bei 32 Grad auf seiner Hausterrasse Richtung Garten, hinter drei leeren und einer halbvollen Flasche ‚Krombacher Pils‘ und brütete stocksteif wie eine Statue, aber mit schweißnasser Stirn und riesigen dunklen Flecken unter den Achseln, ausdauernd und düster vor sich hin…
Es war schon 22 Uhr, als Gerlinde endlich von ihrem ‚monatlichen Lesekreis‘, der ausschließlich aus weiblichen Vertreterinnen bestand, eintrudelte. Sie pfiff munter vor sich hin und schien trotz der ekelhaften Hitze bestens gelaunt – ja geradezu provokant gut gelaunt – zu sein.
Kein Wunder, das sie in diesem Zustand nach einem kurzen – HUHU ich bin da – über ihren Carl ohne jede Rücksicht mit einem tosenden Wortschwall herfiel und ihn mit sämtlichen unterschiedlichen Meinungen über das gelesene und soeben besprochene Buch, zuschüttete: Ja, es war der Roman ‚Justine und die Rettung der Welt‘ von Jean-Gabriel Causse gewesen, der zwar grottenschlecht und total verwirrend auf Karl May Niveau daher kam, aber von vorne bis hinten über Künstliche Intelligenz und der Verselbstständigung des Internets handelte. Ja Gerlinde empörte sich auch lautstark und fassungslos, wie gruselig das sei mit dieser Künstlichen Intelligenz, die sich immer schneller und nachhaltiger über den gesamten Globus ausbreite und wie seinerzeit die Pest alles Leben und alle Prozesse und Anwendungen durchdringe und sich da breit mache: er, Carl, habe ja auch oft erzählt, dass bei TRIGA praktisch schon der gesamte Maschinenpark über KI gesteuert werde und sämtliche Strick – und Wirkautomaten eigentlich völlig autonom liefen und praktisch keinerlei Bedienpersonal mehr benötigten.
Dabei schien der sichtlich erregten Gerlinde bei ihren andauernden Ausführungen der desolate Zustand ihres Carls in keinster Weise aufzufallen, ja sie trank sogar zwei halbvolle Gläser Bier aus, die Carl dumpf vor sich abstellte, ohne ihr nur im Geringsten zuzuhören…
Doch als Carl dann mehr als deutlich zweimal hintereinander „Arschgesicht“ ächzte, wurde Gerlinde doch hellhörig und fragte unsicher, was er mit Arschgesicht denn meine. Aber Carl reagierte nicht, sondern starrte nur weiterhin wie eine Dumpfbacke vor sich hin…
„Carl – sag, wen meinst du mit Arschgesicht?“ fragte sie plötzlich unerwartet schrill, da ihr die Geduld riss, „meinst du mich, willst du mich beleidigen?“
„Nein Gerlinde“, brummelte Carl tonlos, „nein – ich hab’s zu meinem Chef dem Osterkorn gesagt, vor der versammelten Mannschaft bei der Managementsitzung über neue Produktentwicklungen…“
„Und wieso?“
„Weil er mir wieder vorgeworfen hatte, dass wir keinerlei innovative Ideen hätten, während doch überall in der Welt neue Ideen und Produkte auftauchten!“
„Ja und – was dann?“
„Nichts! Er hat mich fassungslos angestarrt – und dann gebrüllt, dass ich verschwinden soll! Und wenn ich ihm morgen keinen guten Grund für meine schlimme Entgleisung nennen könne, bräuchte ich ihm gar nicht mehr unter die Augen kommen: Arschgesicht lasse er sich einfach nicht bieten!“
„Und was hast du gemacht?“
„Na ja – ich bin wortlos aufgestanden und bin gegangen! Und sitze jetzt seit 17 Uhr auf der Terrasse und starre selbst wie das letzte Arschgesicht in den Garten…“
„Nun – das ist ja eine schöne Bescherung, lieber Carl!“
„Ja – a!“
„Das ist sogar ziemlich schlimm, Carl!“
„Ja – aber ich weiß nicht was ich machen soll – und wie ich ihm morgen unter die Augen treten soll, diesem Arschgesicht! Da hilft mir dein ganzes KI – Gelaber auch nicht weiter…“
„Hm – aber mich musst du in deinem Selbstmitleid nicht auch noch beleidigen, Carl!“
„Entschuldige Gerlinde! Entschuldige – das will ich auch nicht…
„Ist schon gut, Carl!“
„Danke, danke…“
„Du – aber in meinem ‚Damen – Lesekreis‘ haben wir ja auch die Gertrude, deren Mann Informatiker ist und die sich prima auskennt mit KI! Und die schwärmt immer wieder davon, wo KI heut zu Tage überall drinsteckt und schnurrt auch immer wieder bis zum Erbrechen die 10 wichtigsten KI – Anwendungen herunter und landet zum Schluss immer bei der Gesichtserkennung…“
„Und – was hilft mir das?“
„Na ja – wenn man mit dieser KI- Anwendung Gesichter erkennen kann müsste man ja auch Arschgesichter erkennen können!“
„Und?“
„Na ja – wenn man Arschgesichter erkennen kann, müsste man ja auch Ärsche erkennen können…?“
„Ja – und?“
„Und – wenn man Ärsche erkennen kann, dann könnte das ja bei eurer Unterhosenproduktion von Vorteil sein, oder…?“
„Das ist es, Gerlinde – du bist ein Schatz! Du rettest mir das Leben…!!“
„Wieso das auf einmal?“
„Na ja, wenn wir tatsächlich blitzschnell einzelne Ärsche erkennen können, dann steht ja die intelligente Unterhose praktisch unmittelbar vor der Tür und wär‘ ein Riesengeschäft! … JUHU – Gerlinde! Das ist es – und das ist es auch, was ich wahrscheinlich gedacht habe, als ich bei all dem mühseligen Produktentwicklungsgesabber in der Sitzung zu Berni „Arschgesicht“ gesagt habe! Ja ich hatte bei dem Wort Arschgesicht wirklich bereits die ‚intelligente Unterhose’ auf den Ärschen der Menschheit vor Augen! Ja das hatte ich, das musst du mir glauben – und der Berni auch…!!!“
„Toll, Car! Wirklich toll…“
„Du, Gerlinde sei mir nicht böse, aber ich muss jetzt sofort den Berni Osterkorn anrufen und ihm unser neues Produkt vorstellen, denn die ‚intelligente Unterhose‘ ist epochal! Echt epochal…! Und sie wär‘ ja auch ein Produkt ausschließlich von mir!“
KH