Die Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum

Der Aktienmarkt lebt von guten Nachrichten und der Hoffnung, dass noch mehr verdient werden kann, so dass die börsennotierten Unternehmen ständig Ergebnisverbesserungen liefern müssen, damit die Kurse den Erwartungen der Anleger und den Versprechungen der Fondmanager folgen. Dazu braucht es durchschaubare Strategien und eine optimistische Ergebnisplanung.

Ein ständig neuer Schub muss erfolgen, sei es beim Umsatz, beim Gewinn oder durch die Übernahme eines Konkurrenten, um den Marktanteil zu vergrößern. Abweichungen vomPlan (Gewinnwarnungen) sorgen dagegen für schlechte Schlagzeilen und Konsequenzen lassen nicht lange auf sich warten. Der Unternehmer oder Manager muss ständig „ein neues Kaninchen aus dem Hut ziehen“, sonst verlieren die Anlagespezialisten die Geduld.

In der ‚New Economy’ wuchs die Bedeutung der Planung stark und das Vokabular der neo-liberalen Wirtschaftsprägung führte die entsprechenden Begriffe als festen Bestandteil von Nachrichten und Betriebsführung ein: „Businessplan, Strategy Planning, Perfomance, Shareholder Value, Profits, Annual Groth, Contolling“ und „WinWin – Situation“.

War die langfristige Ergebnisplanung und Planungskontrolle hauptsächlich auf Großunternehmen beschränkt, breitet sich dieses Denken nun auch in Mittelstandsbetrieben aus.

Das lieferte mir als Geschäftsführer einer Mittelstandsniederlassung den Anlass, der Planung und ihren Begleitern, dem Irrtum und dem Zufall, kritische Aufmerksamkeit zu widmen. Der Zusammenhang und der Auswirkung von Planung in Klein- und Mittelstandsindustrie mit der um sich greifenden Sammlung von Daten soll beleuchtet werden.

Planung

Bei Wikipedia kann man über Planung nachlesen: „Planung beschreibt die menschliche Fähigkeit die gedankliche Vorwegnahme von Handlungsschritten, die zur Erreichung eines Zieles notwendig scheinen. Dabei entsteht ein Plan, gemeinhin als eine zeitlich geordnete Menge von Daten.“

Zufall

Über den Zufall schreibt Wikipedia: „Von Zufall spricht man dann, wenn für ein einzelnes Ereignis oder das Zusammentreffen mehrerer Ereignisse keine kausale Erklärung gegeben werden kann. Als kausale Erklärungen für Ereignisse kommen in erster Linie allgemeine Gesetzmäßigkeiten oder Absichten handelnder Personen in Frage. Die Erklärung Zufall ist also gerade der Verzicht auf eine (kausale) Erklärung.“

Irrtum

Den Irrtum definierte jemand bei Wikipedia folgendermaßen: „Der Irrtum bezeichnet im engeren Sinne eine falsche Annahme, Behauptung, Meinung oder einen falschen Glauben, wobei der Behauptende, Meinende oder Glaubende jeweils von der Wahrheit seiner Aussage(n) überzeugt ist.“

Die Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum.

Planung in der Geschichte

Die ersten Menschengruppen oder Horden streiften auf Nahrungssuche umher, folgten den Tierherden oder zogen in die Welt hinaus auf der Suche nach neuen Nahrungsquellen. Diese Wanderungen wurden durch Mangel ausgelöst und folgten keiner Strategie. Von einer langfristigen Lebensplanung ist nichts bekannt oder überliefert.

Ackerbau dagegen verlangt Ordnung und Organisation, also Planung.

Nach dem ersten Schritt zur Gründung von Siedlungen ging es über die Städtebildung weiter zur Staatenbildung, also das, was wir allgemein hin als Zivilisation bezeichnen. Die Zivilisation kommt nicht ohne Planung aus.

Meister der frühen Zivilisationen waren die Mesopotamier und die Chinesen, deren Können wir noch heute bewundern, z.B. das mesopotamische Bewässerungssystem und die chinesische Mauer(n). Zu Planungsgenies entwickelten sich die Römer, die uns zahlreiche und nachhaltigen Zeugnisse ihrer strategischen Besiedelung lieferten. Man kann mit Recht sagen, dass die geplante Durchführung einer Volkszählung im römischen Machtbereich die Welt bis heute beeinflusst.

Die Planung wurde zum Grundpfeiler der modernen Welt.

Planung soll Zufälle eigentlich ausschließen

Man kann darüber diskutieren, wann die Planung ins Geschäftsleben einzog. Wir wissen, dass die Sumerer kaufmännische Vorgänge auf Tontafeln festhielten. Die Phönizier, das antike Händlervolk, entwickelte mit einem vereinfachten Alphabet auf dem Papyrus den entscheidenden Fortschritt für die Geschäftsplanung. Persönlich halte ich die Einführung der doppelten Buchführung für den Grundstein der modernen Geschäftsführung. In der Buchhaltung haben Unwägbarkeiten, Unstimmigkeiten, Zufälle oder gar Irrtümer keinen Platz. Ein Geschäftsverlauf muss nachvollziehbar sein und das Bilanzergebnis genau, um darauf eine zuverlässige Planung aufzubauen.

Aber ein Zufall kann die Pläne ändern

Eine zuverlässige Buchhaltung ist notwendig, aber äußere Einflüsse, wie Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen oder Absichten handelnder Personen, können Planungen verändern oder zunichte machen. Das ist der Alptraum jedes Geschäftsmannes oder Geschäftsfrau, dass nicht kausale Zusammenhänge die Zielsetzungen verhindern. Doch ist der Zufall auch ein Anlass, die Planung neu zu durchdenken oder die Richtung der Planung zu korrigieren.

Bei Übertreibung wird Wohltat zur Plage

Die Ordnung regelt Rechte und Pflichten in einer Gruppe von Menschen und Planung ist die gedankliche Vorwegnahme von Handlungsschritten zur Erreichung eines Zieles.

Übertreibt man die Ordnung oder die Disziplin, so führt der bedingungslose Gehorsam schnell in die willenlose Abhängigkeit von anderen.

Übertreibt man die Planung, gerät man ebenfalls in Abhängigkeit und Unterwerfung zum Zweck des Erreichens eines Ziels.

Es ist klar, das aus der Vorwegnahme von Handlungsschritten, der Planung und der Sekundärtugend Ordnung, durch Übertreibung eine unangenehme Lenkung unseres Lebens entstehen kann. Provokant gesagt, die Übertreibung, das-über-das-Ziel-hinausschießen, ist die Plage, die der Planunganhängt.

Planwirtschaft

Bei Planwirtschaft oder Zentralverwaltungswirtschaft denkt man unwillkürlich an die Zeiten der UdSSR und des COMECON, als alle Entscheidungen zum Einsatz von Arbeit, Kapital, Grundbesitz, Produktion von Gütern und Dienstleistungen von einer zentralen Instanz für einen festen Zeitraum von fünf Jahren geplant wurden.

Doch es gab Vordenker zu der Wirtschaftsform der Planwirtschaft bereits in der Antike. Kein geringerer als Platon fasste in seinen „Staatsentwürfen“ die zentrale planmäßige Bewirtschaftung eines Staates zusammen. Auch Jean Jaques Rousseau beschäftigte sich in seinem „Gesellschaftsvertrag“ mit der Planwirtschaft, bevor diese vom Marxismus als fester Bestandteil der Politik realisiert wurde.

Im Kalten Krieg, beim Widerstreit der Ideologien, verunglimpfte der Westen die Planwirtschaft als Mangelwirtschaft. Es wurde sich regelmäßig über die Planabweichungen und Engpässe „im Osten“ mokiert und die Flexibilität der Sozialen oder Freien Marktwirtschaft als überlegen angesehen. Kaum bekannt ist, dass auch Charles de Gaulle nach Kriegsende in Frankreich Fünfjahrespläne einführte, die 1992 ein Ende fanden. Immerhin überlebte die französische Zentralplanung das Ende sozialistische Planwirtschaft (RWG) um ein Jahr.

In meiner Betrachtung möchte ich nicht erörtern, wie weit staatliche Planungen für die Wirtschaft sinnvoll sind. Tatsache ist, dass wir in unseren komplizierten Staatengefügen und Verbindungen ohne Plan und wirtschaftliche Regulierungen nicht auskommen, wollen wir nicht eine einseitige Verteilung von Gütern, Kapital oder Grundbesitz in Kauf nehmen. Aber der Streit über die ideale Planung unserer globalen Wirtschaft ist noch nicht entschieden.

Planung in der New Economy

Auf die Strategie folgt der Businessplan und der Businessplan wird vom Reporting und Controlling begleitet. So machen es uns die Multis mit Erfolg vor.

Ist dieses Model 1 : 1 auf die kleinere Industrie übertragbar?

  • Ja kann die Antwort lauten, wenn es sich um die Fertigung von Serienteilen handelt, deren Menge vorher mit dem Kunden budgetiert wurde und es vor allem auf Präzision, Qualität und Pünktlichkeit ankommt. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Fahrzeugindustrie, die auf Zulieferer unterschiedlicher
    Größe angewiesen ist.
  • Bejahen kann man die Frage ebenfalls, wenn Verbrauchsprodukte wie Schrauben und Werkzeuge gefertigt werden.

In beiden Fällen ist die Planung und Kontrolle unerlässlich.

Anders liegt der Fall im Anlagenbau, wenn Sonderlösungen gefragt sind, denn Industrieanlagen werden nicht in gleichen Serien wie Automobile oder Konserven gefertigt. Hier muss der Zulieferer, der oft ein Mittelständler ist, sich mit seinen Lösungen anpassen.

Die Planung kann die folgenden Eigenschaften NICHT ersetzen: Kommunikation, Spontanität, Kreativität und Beweglichkeit. Diese Funktionen werden täglich gefordert.

Die Weichenstellung zum Irrtum: Die Übertreibung

Wird ein universelles Programm zur Betriebsführung eingeführt, werden gewachsene und eingespielte Teams aufgebrochen, weil diese nicht der Logik des Programms entsprechen. Im Vertrieb und technischer Führung, früher oft in einer Position vereint, können Kommunikation, Spontanität, Kreativität, Beweglichkeit erheblich beeinträchtigt werden.

Eine tiefgehende Strukturierung und Aufgabenaufteilung in planabhängige Einheiten verlangsamt die Arbeit, weil übergreifende Funktionen im Programm schlecht zu vereinen sind.

Der Weg zum Irrtum wird damit noch weiter geebnet, wenn bei Strukturierung und sturer Aufgabenerfüllung nach einem Masterplan übertrieben wird.

In der besten Absicht werden Irrtümer begangen, wenn keine Anpassungen möglich sind, obwohl alles nach dem Lehrbuch und der Planungslogik arrangiert wurde. Der Zufall als Lösungsansatz wurde ausgeklammert.

Oder, um wieder auf unser Thema zurückzukommen: Der Zufall wird vom Irrtum ersetzt.

Beispiele

Ich beschäftige mich hier nur mit kleinen und mittleren Industrieunternehmen. Dort waren die Abläufe vom Verkaufsabschluss bis zur Fertigung und Auslieferung der Ware häufig in wenigen Abteilungen organisiert. Verkaufsabteilung und Auftragsabwicklung wurden in einer Abteilung abgewickelt in enger Zusammenarbeit mit der Konstruktionsabteilung. Der Einkauf war oft separat, sowie die Arbeitsvorbereitung mit der anschließenden Fertigung.

Werden diese Vorgänge von einer Software, einem System übernommen, das alle betrieblichen Vorgänge abwickelt, werden die übergreifenden Arbeiten in Schritte zerlegt, die der Logik der Software entsprechen. Die bisherigen Abteilungen müssen aufgelöst und neue gebildet werden. Ein Auftrag wird in viele Einzelschritte zerlegt, nicht selten passiert ein Auftrag erst sieben oder acht Stationen, bevor bestätigt werden kann. So können drei bis vier Wochen vergehen, bevor die Liefertermine bestätigt werden. Diese Bestätigung kann von dem anvisierten Lieferziel weit entfernt liegen. Das zerrt an den Nerven der Verkäufer. Es müssen immer wieder zeitraubende Nachforschungen darüber angestellt werden, wo der Auftrag gerade im System steht. Eine präzise Auskunft funktioniert leider nicht auf Knopfdruck, was man ob der zentralen Datenbank eigentlich annehmen sollte.

Kritik

Ich erlebe immer wieder, wie Unternehmensberater oder neue Führungskräfte die Strukturen in spezialisierten Klein- und Mittelbetrieben nach dem Vorbild der ‚Großen’ verändern wollen. Das Aufbrechen der alten Strukturen erzeugt hohe Reibungsverluste. Die Planungsaufgaben verschlingen viel Energie und Zeit, um letztendlich auf dem Papier eine modern durchgeplante Unternehmensstruktur zu präsentieren.

Systeme zur betrieblichen Führung, fordern unerbittlich Dateneingaben, die früher erst im Laufe eines Projekts eintrafen und geschmeidig eingefügt wurden. Übergreifende Fähigkeiten werden amputiert, denn die Planung durchläuft eine Struktur, die vom Softwareprogramm vorgeschrieben wurde und die Aufgaben strikt trennt. Die Aufträge wandern durch diese Struktur als Email oder Programmschritt und nicht über persönliche Kommunikation.

Bei diesen Planspielen ist es ist keineswegs sichergestellt, dass der erwünschte Erfolg, die Prozessverschlankung und die Beschleunigung der Abläufe auch erreicht wird. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Die Betriebe geraten durch einen größeren Kostenapparat, der durch neue Stellen in der Planung verursacht wurde, unter finanziellen Druck. Die Deckungsbeiträge müssten in gleichem Maß gesteigert werden, um die Kosten zu decken. Neue Produkte, mit höheren Margen müssen dann schnell her, aber die Planung hat ihren eigenen Rhythmus und bremst die Spontanität – eine wahre Zwickmühle.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass eine Planung das Wissen auf technischen oder verkaufstechnischen Gebieten ersetzen kann. Gerade in den Mittelbetrieben kommt es auf fachlich versierte Persönlichkeiten an, die durch ihre Kenntnisse und langjährigen Erfahrungen von Kunden und im Betrieb geachtet werden. Diese brauchen die Unterstützung eines routinierten Stabes. Solche Eigenschaften lassen sich durch keine Planung oder Strukturen ersetzen und diese Personen sind auch nicht einfach austauschbar. Ich habe den Eindruck, dass dies in den „new economy“ Planungsstäben nicht so gesehen wird, sondern eher als suspekt betrachtet wird. Der „Sanierer“ mit plantechnischer Software wird bevorzugt. Fachkenntnisse stehen dabei nicht unbedingt im Vordergrund.

Provokant ist die Behauptung, dass Software, die alle Geschäftsprozesse für Klein- und Mittelbetriebe beinhaltet, eine Übertreibung ist.

Was tun?

Mittelständische Unternehmen im Anlagenbau müssen flexibel bleiben. Planung hat dabei durchaus ihren Platz. Sicher muss die Fertigung effizient gestaltet werden, die Maschinen sollen arbeiten, aber es muss Flexibilität für Ausnahmen bleiben.

Selbstredend müssen Kosten und Ergebnisse zeitnah erfasst werden, aber nicht durch eine große Anzahl von Kontrollberichten, Monatsbilanzen, dreimonatliche Bilanzen, Auftragseingangsplanungen, Contolling, Dreijahresplanungen, aufgeteilt in Produkte und reichlich weitere Tabellen, eine für jedes Problem.

Datenerfassung und Tabellen sind rückwärtsgewandt, aber die Herausforderung liegt in der Zukunft. Da muss Zeit bleiben, über die Zukunft zu philosophieren und Zufällen eine Chance zu geben und nicht im Irrtum zu beharren.

Unser Gastautor ist mir gut bekannt. Aus triftigen Gründen verzichtet er auf die Veröffentlichung seines Namens (RMD)

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