Wie bringt man SILO und WOL zusammen? (Unternehmertagebuch #132)

In #132 meines Unternehmertagebuch geht es um UnternehmenSilos. Die sich scheinbar von selbst entwickelt haben, die sich streng vonreinander abgrenzen und die oft gegeneinander arbeiten. Und um WOL, dass wie oft im Management eine Abkürzung für das englische „Work Out Loud“ ist.

Wie komme ich vom Unternehmenssilo zu WOL?

Ganz einfach. Ich lese immer gerne den Blog von Dr. Marcus Raitner Führung erfahren. Und da hat Marcus in seinem sehr persönlichem Februar-Post geschrieben: „… Mit Working Out Loud wollten wir Silos einreißen und die vernetzte Zusammenarbeit üben. …“

Ich lese WOL in Wikipedia nach und lerne, dass WOL eine Methode für „Wissensarbeiter“ ist, die helfen soll, „Wissenssammler“ in Unternehmen zum „Teilen ihres Wissen“ zu bringen.

Der Zweck von Silos

Ein Silo soll etwas Wertvolles bewahren und vor der Umwelt beschützen. So wird das getrocknete Getreide in ein Silo gebracht, damit es sich bis zur nächsten Ernte hält und in der Zeit bis dahin verzehrt werden kann. Es wird von der Umwelt isoliert. Ein Unternehmen muss sich aber beständig erneuern, um sich an die stattfindenden Veränderungen anzupassen.

Probleme, die Silos in Unternehmen bereiten

Ein Unternehmen ist nach der von mir bevorzugten Definition ein soziales System mit einem ökonomischen Zweck. Wenn ein solches System größer wird, bilden sich zwangsläufig Unter-Systeme. Diese können zum Beispiel durch regionale, fachliche oder organisatorische Entwicklungen gefördert werden.

Mein idealtypisches Bild eines Unternehmens ist ein Netzwerk von selbständig agierenden Teams. Wenn dann noch im ganzen Unternehmen besteht eine große Werte- und Zielklarheit besteht, die alle Menschen und Teams erreicht und alle sinnvoll vernetzt sind, kann gemeinsam ein optimaler ökonomischer und sozialer Wert des Unternehmens für alle stakeholder geschaffen werden.

Sicher ist die Voraussetzung für eine solche kommunikative Effizienz eine digitale Basis, die Teil haben und nehmen effizient unterstützt.

Ein Unternehmen, das aus SILOs besteht, die Ihr Wissen nicht teilen und an den Unternehmenszielen nicht Teil haben (auch weil sie ihre eigenen Ziele entwickeln), hat Wettbewerbsnachteile. Schon früher hat man gesagt „Wenn das Unternehmen XYZ wüßte, was es alles weiß“. Dabei geht es nicht nur um fachliches Wissen, sondern auch um Kontakte, Netzwerke, Kompetenzen, Know-How und best practice (wie man was gut macht und was man wie machen kann), Vertriebswege usw., die die Stakeholder im Unternehmen haben.

Es geht um die Entwicklung von Synergien im weitesten Sinne des Wortes, die dringend notwendig sind, um den notwendigen Wandel in disruptiver Zeit flexibel hinzukriegen.

Silos dagegen lassen das Unternehmen erstarren und priorisieren ihren Erhalt und ihre Machterweiterung zu Lasten des Unternehmensgesamt.

Gründe für Silos

Der Mensch an sich

Menschen mögen keine Veränderung. Ein Unternehmen, das sich in der heutigen Vuca-Zeit bewähren muss sich der Veränderung täglich stellen. VUCA ist ein Akronym, das sich auf „volatility“ („Volatilität“), „uncertainty“ („Unsicherheit“), „complexity“ („Komplexität“) und „ambiguity“ („Mehrdeutigkeit“) bezieht. Damit werden vermeintliche Merkmale der modernen Welt beschrieben. Vermeintlich, weil ich meine dass da viermal das gleiche in eine Abkürzung gesteckt wurde, die jetzt als schönes Buzzword verbreitet wird.

Ich meine zwar, dass schon immer der Fortschritt dort entstanden ist, wo Wissen sich getroffen hat und geteilt wurde. Ich zitiere: „Wissen ist der einzige Rohstoff, der durch Teilen mehr wird“! Insofern ist das nichts Neues, nur mit steigendem Tempo von Entwicklungen wird das Teilen und Zusammenbringen von Wissen immer wichtiger. Mein Eindruck ist, dass in den neuen Märkten ein Monat einer Zeitspanne entspricht, die früher ein Jahr war.

Wir sind auf Taylorismus gedrillt

Taylorismus bewirkt, dass Bereiche oder Abteilungen von Unternehmen sich spezialisieren. Die einen machten in Holz, die anderen in Eisen. Heute machen die einen IT, die anderen bauen Maschinen, die anderen konzentrieren sich auf Branchen. So entwickelt man sich auseinander. Das bringt Nachteile. Besser ist, wenn man in der Lage ist, das Beste von allen Disziplinen zu integrieren. Das war schon bei der Kutsche (Holz, Eisen und Beförderung von Menschen und Frachten) und ist im Anlagenbau (Maschine, Digitalisierung, Digitalisierung) auch nicht anders.

Dazu kommen die zentralen Dienste. Die sich gerne auf ihr Thema konzentrieren, dies zum Selbstzweck machen und hoch spezialisierte Anwendungen und Organisationen aufbauen. Als Beispiel nenne ich Kaufmännische Dienste, Personal, Marketing, Vertrieb, Risiko Management, Legal Service, Security, CSR (compliance social responsibilty), DSR (digital social responsibilty) usw. Wenn sich diese vom Unternehmen separieren und ihre eigenen Elfenbeintürme aufbauen und sich in diesen zurück ziehen, dann droht den Unternehmen große Gefahr.

Dann kann es passieren, dass solche Abteilungen sich Ihre Aufgaben selbst vorgeben und kräftig weiter entwickeln. Murphys Gesetz (Murphys law) bewirkt den Rest. Ich kenne Unternehmen, die früher eine „Rechts-Abteilung“ bestehend aus drei Juristen hatten. Heute benötigt „legal service“ ein eigenes Bürogebäude, obwohl es das Unternehmen sich reduziert hat.

Früher gab es den redlichen Kaufmann und anständige Manager. Das war mehr wert als eine große Abteilung, die dafür sorgen soll, dass das Unternehmen neben den profitwirtschaftlichen auch die Regeln der Gemeinwohl-Wirtschaft beachtet.

Der Datenschutz

Datenschutz (DSVGO) und weitere gesetzliche Vorgaben fördern die Entstehung von Silos. Weil man da die Daten besser verbuddeln kann. Denn auch in modernen Unternehmen gilt das Prinzip „Geheimschutz vor Transparenz“. Im folgenden diskutiere ich das Problem am Beispiel aus dem Bereich Personal (heute „human resource“ genannt) die Probleme.

Die großen Geheimnisse

Gehälter und
Wie ich als Angestellter in das berufliche Leben eingestiegen bin, war ich verpflichtet, die Höhe meines Einkommens geheim zu halten. Ich wurde darauf hingewiesen, das der Gehaltszettel absolut vertraulich zu behandeln wäre. Wenn man ihn auch nur leichtfertig herum liegen lassen würden, dann wäre dies ein Kündigungsgrund.

Bewertungen und
Ebenso war das mit der persönlichen Bewertung. Mein Chef mußte meine Kompetenzen und Tugenden auf einer Skala Wert von NULL bis HUNDERT. Ich erinnere mich nicht mehr präzise an die verschiedenen Dimensionen. Ich meine es war eine zweistellige Anzahl und es waren fachliche Kompetenzen aber auch allgemeine und soziale Qualitäten wie Fleiß, Gehorsam und Kollegialität dabei.

Der Durchschnitt aller Bewertungen über die Abteilung hinweg musste bei 50 liegen. Das heißt, man hat pro Kopf im Schnitt 50 Punkte zu verteilen. Wenn also einer einen Punkt mehr bekam, musste ein anderer einen Punkt weniger bekommen.
Die „disziplinarisch Vorgesetzten“ mussten kräftig optimieren. Ein persönlicher Durchschnitt von knapp über 50 war ein Zeichen von großer Anerkennung und schon die 49 eine kräftige Ohrfeige. Und ein klein wenig ging diese Zahl ja auch eine Auswirkung für die Höhe des Gehalts.

Mir ist klar, dass eine Offenlegung eines – nach meiner Meinung solch schwachsinnigen Systems – dem Betriebsfrieden nicht förderlich ist und zu komischen Diskussionen führen dürfte. Nach dem Motto:
„Warum hat der Meier beim Fleiß eine 51 und ich nur eine 49?“

vor allem das „Bekenntnisund
Das mit dem Bekenntnis habe ich nie verstanden. Warum muss ein Mensch sich beim Arbeitgeber „outen“, auf welche Art und Weise er die Frage nach dem Sinn des Lebens zu bewältigen versucht. Aber es gibt ja eine einfache Antwort:
Die vom Staat als „Kirche“ akzeptierten Institutionen dürfen ihren Mitglieder eine Mitgliedsbeitrag auflegen, der ähnlich der Einkommensteuer berechnet wird. Und in einem Konkordat aus finsterer Zeit haben Staat und Kirche vereinbart, dass der Staat diesen Mitgliedsbeitrag in Form von einer „Kirchensteuer“ erhebt (und an die Kirche weitergibt). Der pfiffige Staat hat das an die Arbeitgeber weitergegeben.
Also müssen die wissen, welcher Konfession der Mitarbeiter angehört. Zumindest die Abteilung, die das monatliche Gehalt und die abzuführenden Steuern berechnet.

ganz besonders die Gesundheitsdaten
Die Gesundheitsdaten sind immer ein ganz heißes Eisen. Da gibt es Sorgen ohne Ende. Vorerkrankungen werden aus verschiedenen Gründen geheimgehalten. Das kann an der Scham der Betroffenen liegen (wer will schon, dass bestimmte Art von Erkrankungen bekannt werden). Und wer will schon haben, dass eine organische, sexuelle oder psychische Schwäche publik wird?

Alle diese großen Geheimnisse unterliegen dem Datenschutz. Also müssen sich besonders die Dienste, die hier beteiligt sind, schützen. Das geht am besten wenn man ein Silo aufbaut, die Kommunikation möglich einschränkt und die ein- und Ausgänge des Silos streng bewacht und kontrolliert.

Gremien, die zu Silos werden

Die übliche Gremien-Kultur in Unternehmen ist ein Problem. Sie fördert in der Regel das stärker werden von Selbstzweck-Denken, die Politisierung der Arbeit und das Entstehen von Silos. Als Gremien zu nennen sind Aufsichtsrat, Vorstand, Betriebsrat, Rechtsabteilung, Wirtschaftsausschuss, institutionelle Boards und Strukturen, die sich dann hinter komischen Abkürzungen verstecken, aber im Rahmen von Prozessen wichtige Funktionen haben.

Aufsichtsrat
Ich selbst bin derzeit in Aufsichtsräten. Da muss vieles geheim gehalten werden. Oft weiß ich gar nicht, warum der Geheimschutz so wichtig ist. Jedes Sitzungsprotokoll muss ich fachgerecht entsorgen, d. h. schreddern (mit einem Schredder zerstören) oder verbrennen. Bei uns ist das nicht ganz so streng, weil wir nicht börsennotiert sind. Sonst müssten wir sehr aufpassen, dass alle Stakeholder dieselben Informationen bekommen bzw. nicht bekommen.

Vorstand
Vorstände wissen oft viel mehr, als sie wissen dürften. In meiner jungen Zeit habe ich gelernt, dass eine Führungskraft ihre Mitarbeiter gut kennen sollte, also z.B. die Vornamen von Frau und Kinder wissen sollte. Darf das eigentlich heute noch so sein. Was ist, wenn Herr Müller einen Mann hat?

Betriebsrat
Die Betriebsräte haben es besonders schwer. Sie haben Zugriff auf alle Informationen des Unternehmens. Dürfen aber nichts verraten. Eine fast unmenschliche Herausforderung, die da im Betriebsverfassungsgesetz formuliert wird. Deshalb bekommt der Betriebsrat immer den am besten geschützten Datenbereich im Unternehmen. Und gehen oft an der Herausforderung kaputt.

Rechtsabteilung
Mancher Projektleiter weiß nicht, wer mehr Schwierigkeiten macht: Betriebsrat, Datenschutzbeauftragter oder die Rechtsabteilung. Denn letztere wacht darüber, dass die Gesetze akribisch eingehalten werden. Die sind aber mittlerweile so komplex, dass sie nur schwer zu verstehen sind. Oft widersprechen sie sich sogar Verordnungen aus verschiedenen Bereichen, dann wird es ganz schwierig. Und ordentliche Juristen wollen immer auf der sicheren Seite sein. So habe ich schon manches stolze Projekt am „legal service“ scheitern gesehen.

Wirtschaftsausschuss
Zur Erklärung ein Zitat von BetriebsratWissen:
Ein Wirtschaftsausschuss ist ein Gremium, dass nach § 106 BetrVG in Unternehmen ab 100 Arbeitnehmern vom Betriebsrat bzw. bei Bestehen eines Gesamtbetriebsrats von diesem bestellt werden muss. … der Wirtschaftsausschuss hat das Recht auf Einsicht wirtschaftlicher Unterlagen und Kennzahlen des Unternehmens.
Ich nehme an, dass die Auskunftspflicht im weitesten Sinn gilt. Mir war lange nicht bewußt, dass ein Unternehmen ab einer gewissen Firmengrösse per gesetzlicher Vorgabe einen Wirtschaftsausschuss haben muss! Der besteht aus drei bis sieben Mitgliedern und ist auch wieder eine Keimzelle für ein schönes Silo.

Boards
Als Angestellter bei Siemens habe ich immer unter dem Prozess gelitten, der die Entwicklung neuer Produkte festgelegt bzw. verhindert hat. Produkte wurden geplant, dafür gab es eine Produktplanung.Der der Prozess zur Entwicklung hatte verschiedene und nicht sehr pragmatische Meilensteine.
Ein ganz wichtiger Meilenstein war die Genehmigung der Entwicklung des neuen Produkts durch ein Gremium. Die Abkürzung für die entscheidende Sitzung diese Gremiums war POK oder so ähnlich, ich habe sie vergessen. Die Teilnehmer der POK waren typische „Unternehmens-Beamte“ aus verschiedenen Silos, die mit pragmatischer Kompetenz nicht immer gesegnet waren.
In der POK wurde geprüft, ob Umsatzerwartungen realistisch war, die Produktentwicklung wirtschaftlich rentabel war und die Voraussetzungen im Vertrieb und Marketing erfüllt waren, die Konkurrenz-Situation beherrschbar war etc. So musste zusehen, wie diese POK die Entwicklung innovativer Produkte unmöglich gemacht hat. Das war ein Todesstoß für viele Innovationen im Bereich der Digitalisierung in Deutschland.

Zusammenfassung
Es scheint zu schein, dass die Komplexität großer Unternehmen viele Sorgen nährt. Auch dass man den Stakeholdern (im wesentlichen Kunden und Mitarbeitern) zu viel Eigenverantwortung nicht zu muten kann. Das generiert einen Bedarf nach Geheimschutz, der vom Gesetzgeber noch verstärkt wird. Gerade bei den Shareholdern gibt es präzise gesetzlich Vorschriften.
Gemeinsam mit einem Denken in hierarchischen Strukturen, das Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation vermeidet und in einer Kultur des „Misstrauens vor Vertrauen“ mehren und entwickeln sich die Silos prächtig.

Und jetzt kommt WOL (Working Out Loud) und verspricht uns, die Silos aufzulösen. Damit die Elefanten wieder tanzen können (Zitat von Marcus Raitner). Vielleicht können wir so manche Silos auflösen und die Unternehmen in Netzwerke der Teams verwandeln. Das wäre doch toll?

Meine persönliche Bewertung
Wir müssen einfach mehr miteinander reden. Allerdings ist das nicht ungefährlich. Denn wird in einem Unternehmen zu viel oder gar nur noch geredet, dann bekommt es in der Regel schnell ein heftiges Problem. Denn wenn übers Reden die Kunden vergessen werden und das Geld verdienen ausbleibt, ist das Ende nahe. Das heißt, die Kommunikation innerhalb und außerhalb des Unternehmens muss effektiv und effizient statt finden.
Das gelingt am Besten mit einer transparenten Vertrauenskultur, in der eine große gemeinsame Klarheit über Ziele, die Situation und die Probleme des Unternehmens herrscht.
Vielleicht kann WOL dabei helfen!?

RMD

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