Sonntagsreden

Der Wahlkampf hat begonnen. Und es werden Reden gehalten. Der Bundespräsident hält seine Berliner Rede und bekommt Applaus, weil er die „Missstände beim Namen nennt“. Er appelliert an Werte, spricht von sozialer Verpflichtung, verurteilt, moralisiert, verlangt Übernahme von Verantwortung, fordert Kontrolle und neue Regeln. Er hat auch die Bösen ausgemacht – zum Teil sogar in den eigenen Reihen.

Das ist mir zu einfach. Ich glaube nicht, dass wir Banker und Spekulanten verurteilen dürfen, die sich ja nur am normalen Spiel der Wirtschaft beteiligt haben und noch vor kurzem hoch angesehene Persönlichkeiten waren und als unsere Vorbilder gefeiert wurden.

Die Kanzlerin reserviert sich am Sonntag den Abend bei Anne Will. Sie wiederholt immer wieder „Deutschland muss gestärkt aus der Krise hervorgehen“. Das ist ihr politisches Ziel. Was sie mit „gestärkt“ meint, kann ich nur vermuten.

Wenn es bedeutet, dass nach der Krise dann pro Kopf wieder mehr Öl verbrannt und mehr Lärm generiert, mehr Fleisch gegessen und mehr Kilogramm Auto mit sich herumgeschleppt, mehr Zigaretten geraucht und mehr Bier getrunken, mehr spekuliert und gewettet wird, dann ist dies nicht mein Verständnis von „gestärkt“.

Wäre denn ein negatives konservatives Wachstum nicht sogar wünschenswert, weil es unser Leben lebenswerter macht und uns unseren Klimazielen näher bringt? Wenn wir weniger Öl verbrennen, generieren wir auch weniger Kohlendioxid.

Und gibt es nicht ein qualifiziertes Wachstum jenseits des Konsums? Zum Beispiel durch die Erzeugung von wieder hochwertigen Nahrungsmitteln, durch die Verbesserung von vernünftiger Infrastruktur (damit meine ich keine dreispurigen Autobahnen), Kultur- und Ausbildungsangeboten und individualisierter Dienstleistung. Ist unser Leben durch die „Konsumgesellschaft“ nicht ärmer geworden? Ist es dem personalen Glück nicht förderlicher, aktiv zu leben an Stelle von passivem Fernsehschauen. Eine solche Erhöhung der Lebensqualität würde sich auch positiv im Bruttosozialprodukt niederschlagen.

Für mich bedeutet „gestärkt“, wenn die Menschen elementare Werte wieder entdecken und ihr Handeln aus eigenem Antrieb ändern. Und wenn sie sich auf die wirklichen Probleme besinnen. Ich wünsche mir, dass wir aus der Krise lernen, gemeinsam die großen Herausforderungen einer globalen Welt anzunehmen.  Wir müssen konkret jeder für sich handeln und nicht Reden halten. Und zwar jeder Einzelne für sich. Ich habe den Eindruck, dass dies zurzeit schon immer mehr geschieht!

Unser politisches Handeln derzeit besteht aber vor allem aus massiven Anhäufen von Schulden. Dies wird gemacht, um die „Finanz-Industrie“ zu entschulden, obwohl diese „Industrie“ auf einem katastrophalen Holzweg war und wahrscheinlich immer noch ist (ich fürchte, dass zurzeit härter und mehr spekuliert wird als je zuvor!). Dies auf Kosten der Generation nach uns – oder in der Hoffnung auf baldige Inflation. Ist die „Finanzindustrie“ denn überhaupt eine Industrie? Oft lese ich, dass die De-Industrialisierung von USA und Europa in den letzten 20 Jahren eine der Ursachen des aktuellen Problems ist. Die „Finanzindustrie“ hat sich in den letzten Jahren jedoch kräftig entwickelt.

Und dann die oft gehörte Beschwörung, alles tun zu wollen, damit wir besser durch die Krise kommen als die anderen Länder. Vielleicht wäre es wichtiger, wenn die armen Länder in der Krise weniger verlieren als die reichen. Sonst gehen am Schluss alle unter.

Das alles vermisse ich in den Sonntagsreden.

RMD

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