
Ich habe hier Ende 2013 schon mal gewohnt. In der ersten Nacht in 2015 war ich überrascht, weil Ich es noch lauter in Erinnerung hatte. Was war los? Die Antwort war einfach. Unweit des von uns bewohnten Gebäudes ragen weitere Hochhäuser als Rohbauten in die Luft, unter anderem das beschriebene. Beim letzten Besuch wurde auf diesen Baustellen gearbeitet, und zwar Tag und Nacht – mit einem fast unerträglichen Lärmpegel.

Die Erklärung dafür ist einleuchtend.
Entweder sind die Bauherren „bankrupt“. Denn das System in Indien reich zu werden ist einfach. Man startet zum Beispiel ein Immobilien-Projekt und verkauft die Wohnungen im voraus. Geld gibt es genug in Indien. Dann wird das Gebäude gebaut. Natürlich steigen während dem Bau die Kosten. Aber nicht nur wie in Deutschland um 70 % bei Großprojekten. Auch hier sind die Inder „besser“.
Was macht man, wenn man mit den Kosten nicht hinkommt? Man startet neue Projekte, die konzipiert und verkauft werden. Mit den Einnahmen aus diesen Prospekten wird das erste Gebäude fertiggestellt. Und als Referenz für noch mehr Projekte genutzt, mit denen man die alten finanziert. Nur ist das halt ein Schneeball-Prinzip. Und das ist immer endlich und schon stehen ein paar Betonskelette mehr da. Für mich wie drohende Mahnmale eines entarteten Wirtschaftssystems.

Nur wie will man einen Wolkenkratzer, der zum Beispiel eine doppelt so große Grundfläche hat wie genehmigt, rückbauen? Also lässt man das Betonskelett mit vielen Stockwerken halt mal stehen. Den Weiterbau braucht man in beiden Fällen ja nicht, denn das Geschäft ist ja schon gemacht. Das Geld ist verteilt und in verschiedenen privaten Kassen gelandet.

Den Schaden haben die Käufer der Wohnungen. Die sind aber in der Regel so reich, dass es nicht so stört. Außerdem wissen die schon, wie und wo sie sich das Geld wiederholen. Am Schluß ist es halt die Allgemeinheit. Wie üblich – die Gewinne sind schon privatisiert, die Verluste werden sozialisiert – irgendwann mal in der Zukunft.
So sieht man sie immer öfters in der Stadt, diese Bauruinen von Mumbai. Aber so richtig zu stören scheint das niemanden. Bestimmt nicht die armen ganz unten in den Straßenschluchten. Warum sich gegen Dinge auflehnen, die man eh nicht ändern kann?
Man sieht in Mumbai aber auch immer wieder neue Wohntürme, an denen fleißig gearbeitet wird. Darunter sind auch die Gebäude, die dann in ein paar Jahren die höchsten reinen Wohngebäude der Welt sein sollen …
Wohlgemerkt, ich will hier nicht Indien oder Mumbai kritisieren – ich muss bei meinen Beobachtungen immer an uns zu Hause denken!
RMD
P.S.
Das Gebäude, in dem ich zurzeit lebe, ist vielleicht 15 Jahre alt. Manches erscheint hier aber auch schon so, dass man es eigentlich schleunigst renovieren sollte. Zumindest wenn man so mitteleuropäisch sozialisiert wurde wie ich.


