Die Qual der Wahl – oder warum es manchmal besser ist doch keine Wahl zu treffen

Das Wandern ist des Müllers Lust….
und bei positiver herbstlicher Wetterprognose auch die meine…..

Allerdings wollte ich für diesjährige Wandersaison in neues Schuhwerk investieren. Wie kam ich nur auf diese komische Idee???

Also zog ich eines schönen Samstags los und machte mich auf in die Münchner Innenstadt – eine denkbar ungünstige Idee – oder schon wieder so genial, denn genau die gleiche hatten unzählige andere Menschen auch.

Bester Laune und frohen Mutes betrat ich ein für Outdooraktivitäten (gehört da Wandern dazu?) ausgerüstetes Fachgeschäft. Trekkingausrüstung 4. OG verriet die Infotafel – der Aufzug heillos überfüllt und in einem Schneckentempo unterwegs. Offensichtlich soll schon hier die jeweilige Kondition getestet werden – also auf die Treppe – fertig – los. Wer durchhält darf auch einkaufen….
Oben endlich angekommen suche ich erwartungsvoll das Regal mit den Wanderschuhen – früher nannte man das einfach Bergschuhe. Die waren damals aus strapazierfähigem Leder, hatten eine dicke Sohle mit einem anständigen Profil und ganz wichtig: sie stützten den Knöchel. Mit so einem Exemplar war man für alle bergtechnischen Widrigkeiten bestens ausgestattet.

Heute ist das anders.

Nach wohl ausgiebigem Studieren meines ratlosen Blickes hat ein „Verkaufsberater“ freiwillig seine Tarnung aufgegeben und sich zu mir gesellt. Ein halbwegs freundliches „Kann ich Ihnen helfen“ hat er sich auch noch abgemüht.

Ich antwortete daraufhin: „Das hoffe ich doch, denn ich suche Bergschuhe.“ Nun ein ratloser Blick seinerseits. Was? Naja halt Wanderschuhe um in den Bergen eben wandern zu gehen. Aha – !!!

Was wollen sie mit den Schuhen machen? – (? Drückte ich mich für den jungen Mann so unverständlich aus?) Ich wiederholte also meinen Wunsch. Jaja schon klar, wandern, aber wo?, meinte der.

Was heißt wo – in den Bergen – genauer in den bayrischen eben. Über Stock und Stein – keine Klettersteige. Ja wandern halt – mein Gott ist das so schwer zu verstehen…… Ich will weder die Rocky Mountains noch den Himalaja erkunden.

Ja gute Frau (wurde er langsam ungeduldig?) auf welchem Untergrund sollen Sie wandern?

Wieder ein großes Fragezeichen in meinem Gesicht – wieso wollen Sie das so genau wissen?

Ganz einfach war seine Antwort, wir haben hier Modelle, für felsigen Untergrund, für Graslandschaften, für Geröll, fürs Voralpenland, für trockenen Untergrund, für feuchten Untergrund……

Für Kuhfladen auch? Den Witz hat er nicht verstanden! Kommt wohl nicht aus Bayern der junge Mann.

Nachdenklichkeit meinerseits macht sich breit.

Will man mir wirklich erzählen, dass ich mir künftig genau die jeweilige Wegbeschaffenheit meiner Wanderung vor Antritt derselben zu Gemüte führen muss (gibt’s da schon eine App?), um dann von meinen Repertoire an geschätzt gut 10 verschiedenen Trekkingschuhen das richtige Paar für vorwiegend Sonnenschein, gefühlte Temperatur von 23,5 Grad, taufeuchter Untergrund in den Morgenstunden und staubtrockene Wege nachmittags und abends durchwachsen mit einigen Baumwurzeln und überschattet von diversen Laubbäumen, zu finden?

Und was wenn plötzlich der Weg von einem Geröllfeld unterbrochen wird, oder ich einen kleinen Bach ohne Brücke überqueren muss? Glaubt man allen Ernstes, dass ich künftig mit 2 – 3 verschiedenen Modellen Wanderschuhen aufbreche, um im Ernstfall das Schuhwerk zu wechseln?

Will  man das nicht? – Nein! Ich will es auch nicht. Es muss doch so ein Allroundmodell für alle Befindlichkeiten geben.

Wieder falsch. Tut es eben nicht. Nachdem ich mir gefühlte 2 Stunden – (hey der gab sich richtig Mühe!) die Vorteile von festen Sohlen, weichen Sohlen, elastischen Sohlen, atmenden Sohlen (lebt mein Schuh?) und der diversen Profile erklären ließ, war ich noch ratloser als vorher.

Auf die Frage, welchen Schuh er mir denn nun empfehlen würde – ich hätte ja zu gern mal ein Modell anprobiert, meinte er nur:
Das ist nicht so einfach. Er könne mir doch nichts empfehlen, wenn er nicht weiß, was ich mit den Schuhen machen will.????????

Gut erzogen, dankte ich für die Beratung und ließ ihn einfach stehen.

Abgefüllt mir derart vielen Informationen, war zwar meine gute Laune im Eimer, aber dafür mein Geldbeutel nicht strapaziert. Nach dieser Reizüberflutung an Angeboten ging ich still und klein heim.

Ab sofort schätze und pflege ich meine alten Bergschuhe noch mehr und wandere mit ihnen auf diversem schwierigem Untergrund entspannt durch die bayrische Bergwelt.

2s

3 Antworten

  1. Sie sind der Wunschkunde von Steve Jobs.

    Eins seiner geflügelten Worte war, „Es ist nicht Aufgabe des Konsumenten, zu wissen, was er will“.

  2. Nichts gegen altes Schuhwerk, aber Carl und Gerlinde würde es gruseln, wenn sie in so alten, schweren Dingern den Berg hinauf müssten. Und mich auch…
    Aber eine schöne Geschichte!

  3. Super Geschichte – klingt wie von Bill Bryson gescheiben. Vielen Dank für die vielen fröhlichen Momente beim Lesen.

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