Was haben Diktaturen und Werbung gemeinsam?
Meinungsvielfalt ist schwierig.
Die Schwierigkeiten, Kommunikationskartelle in der
Werbung zu knacken, also den Glauben an das
einzig Erfolgreiche, genauso wie die Auswege
daraus, habe ich in meiner “Positionierungsserie”
ausführlich beschrieben.
Positionierung per Subtext ist das letzte Mittel
der Positionierung. Sollte ich je in einer Diktatur
landen, dann bin ich durch die Werbung bestens
darauf vorbereitet.
Es waren einmal zwei Telefongesellschaften zu
Zeiten der Liberalisierung des Telefonmarktes.
Otelo und Teldafax (nicht zu verwechseln mit
dem heutigen Stromanbieter).
Otelo hatte einen wunderbaren und sehr
beliebten TV-Spot herausgebracht, mit viel
Geld vom damals besten Werberegisseur
verfilmt. Die Story: ein dickliches, aber süßes
Mädchen, ruft Ihren attraktiven Traummann
an, dessen Foto auf dem Nachtisch steht.
Der Clou der Geschichte – kaum meldet sich ihr
Traummann am Telefon, schon legt sie auf und
wirft sich verliebt verlegen aufs Bett. Damit
bewirbt Otelo die sekundengenaue Abrechnung –
das konnte die Konkurrenz, die nach Minuten
berechnete, nicht bieten. Ein warmes Gefühl
für das Mädchen und ihre aussichtslose Liebe
packt einen, das Gute, die romantische Seite
des Menschen feiert Triumphe.
Unser Kunde Teldafax machte uns keinerlei
Vorgaben für einen Spot gegen Otelo
(Positionierung ist immer gegen etwas).
Aber uns war klar, dass hier etwas anderes
der Auftraggeber war: Das Kommunikations-
Kartell – eine süße Liebesgeschichte ist das
Stärkste, was die Werbung zu bieten hat.
Deshalb hatte auch unser Spot eine Liebes-
geschichte, mit genau denselben Zutaten,
nur die Hauptakteure waren etwas anders,
es waren Schweine. Eine Schweinedame sitzt
im Sessel neben dem Telefon, betrachtet das
Bild ihres Liebhabers auf dem Tisch und dazu
läuft der Ohrwurm aus den 20-er Jahren
des vorigen Jahrhunderts: kein Schwein
ruft mich an, keine Sau interessiert sich für
mich. Dann der Sprecher – doooch für
nur … Cent pro Minute (den Preis haben
wir jede Woche nach unten korrigiert,
es war die Zeit des rasenden Preisverfalls).
Aber wo ist hier der Subtext?
Das war doch auch eine süße Geschichte.
Tiere sind doch die großen Werbebringer.
Den Subtext haben zwei wesentliche Gruppen
der Menschheit sehr unterschiedlich erlebt.
Die Männer fanden unsere Schweinegeschichte
ganz putzig, irgendwie witzig.
Und die Frauen? Haben sofort den Braten
gerochen. Hier handelt es sich doch um….
bezahlten Sex.
So lobten uns die männlichen Kollegen in
der Agentur.
Und die Frauen beschimpften uns.
Vielleicht aber sahen die Männer auch
nur den kalten Markterfolg.
Der Teldafax-Spot machte 40% Umsatzplus
und das bei einem 3-stelligen Millionenumsatz.
Und die Moral von der Geschicht’?
Beide Firmen überlebten nicht.
SIX
Eine Antwort
Schwein gehabt. Vielleicht haben es die besten Ideen eben besonders schwer.
Vielleicht fehlt der Mut, die Fantasie? Oder haben es die Werbeageturen nicht eher mit verstaubten, ängstlichen Unternehmensvertretern zu tun? Wie oft werden wirklich neue Ideen mit dem Totschlagargument abgewürgt: Das haben wir noch nie so gemacht!