Im Rahmen der 1000-Jahrfeierlichkeiten in Rodenbach bei Hanau, trat auch die Autorengruppe Wortspieler mit ihrem „Jubiläumsgetuschel“ auf. Der Autor war bei diesem sehr erfolgreichen Auftritt mit vier Beiträgen dabei: Carl und Gerlinde (90), hat er schon im Blog gebracht und nun folgen in der nächsten Zeit drei weitere Beiträge. Auf dem Foto von links nach rechts : Detlef Knoll, Irene Weingärtner, Martina Tornow und der Autor Klaus Hnilica.
Lyrische Analyse
Meine Damen und Herren, werte Rodenbacherinnen und Rodenbacher, da ich mich bei meiner sogenannten Lyrischen Analyse auf 3 Dialektebenen bewegen werde – möchte ich Sie zu aller erst um Nachsicht bitten – sobald es bei meinem Vortrag ins Hessische und Berlinerische geht: denn wirklich zu Hause bin ich naturgemäß nur im Wiener Dialekt.
Aber unabhängig davon können Sie mir vielleicht zustimmen, wenn ich behaupte, dass die Bedeutung einer Stadt, erst dann wirklich diskutabel ist, wenn diese Stadt auch im Zusammenhang mit herausragenden literarischen Ereignissen oder Dichtern genannt werden kann, wie das etwa bei Frankfurt am Main und Goethe der Fall ist!
Nun – ohne jetzt den Mund allzu voll nehmen zu wollen – haben sich mir tatsächlich – im Rahmen meiner Recherchen zum diesjährigen „Jubiläumsgetuschel“ – völlig überraschend solche literarischen Ereignisse und Zusammenhänge auch für Rodenbach aufgetan, und dies seltsamer Weise sogar im Bereich der Lyrik?
Ja – ich stieß, bei meiner Suche im Internet, echt plötzlich auf einen mir gänzlich unbekannten Oberrodenbacher Anonymus, der mit einem schlichten
8-zeiligen Gedicht, nicht nur urplötzlich literarische Wirkkraft entfaltete – sondern sogar ein kleines literarisches Beben auslöste!
Und zwar nicht irgendwo in der Pampa – nein! – er löste es in Städten wie Wien und Berlin aus:
Es war nämlich ein Gedicht, das – wie ich glaube – vor fast einem Jahrzehnt – oder länger – im ‚Hanauer Anzeiger‘ nicht nur positiv besprochen, sondern geradezu hymnisch gefeiert wurde, und dies nicht nur wegen seiner humorigen Skurrilität, sondern insbesondere auch wegen seines klaren Hinweises auf die immer gravierendere Vereinsamung des modernen Menschen…!
Nun – dieses von mir aufgestöberte, gefeierte Oberrodenbacher Mundartgedicht – trug den schlichten Titel „Mich“ und geht so:
Ich hock da und ess e Krumbeer,
Uff amal klopft‘s – ich sach‘, da is wer?
Will dessdewesche net glei unke,
Denk sofort aber, en Rabrunke:
Wer sonst nervt nur und gibt ka Ruh,‘
Macht Düre uff und nemmer zu?
Ich guck enaus, kann sonst nix sehe,
Seh nur – mich – de Krumbeer stehe!
Witzig, oder? Isst sich selbst auf, diese ‚Kartoffel‘? Aber das verstehen vielleicht nur Rodenbacher?
Tja – meine Damen und Herren – Sie werden vielleicht verstehen, als mir dann – kurz darauf – plötzlich noch eine derartige Literaturbesprechung, praktisch wie von selbst auf die Füße fiel, ich fast schon geneigt war, an eine göttliche Fügung zu glauben: denn es ging da nämlich in der bekannten österreichischen Tageszeitung „Kurier“, um ein Gedicht, das den – ‚einbuchstabigen Titel‘ – „I“ trug und sich folgender Maßen anhörte:
I sitz do und haber Knödl.
Auf amoi klopft’s – i sag du Blödl,
Dös sag‘ i echt nur so zu mir,
Weils aufgeht gonz allan die Dür,
Sag‘ spinn i oder bin i besoffn,
Erscht war de zua, jetzt is de offn?
I schau dann aussi, ob i was siech,
Doch – draussen steh‘ – allan nur Ich!
Nun – als ich das gelesen hatte, glaubte ich nicht mehr an Wunder, sondern schon eher an mafiöse Machenschaften, denn die Ähnlichkeit war einfach zu verblüffend!
Dies umso mehr, als auch in der Besprechung des Gedichtes vage auf ein Hessisches Mundart Gedicht eingegangen und spaßeshalber erwähnt wurde, dass der hessische Autor zwar unbekannt sei, aber man mit großer Gewissheit davon ausgehe, dass Goethe dieses Mal nicht in Frage käme, obwohl der Acht Zeiler vom Entstehungsort her, aus Goethes näherer Umgebung stammen dürfte…?
Ja und komplett durchgedreht habe ich dann, als sich kurz darauf in der FAZ – also der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – ein bekannter Literaturkritiker über ein Gedicht ausließ, das im Berliner Dialekt geschrieben war, angeblich sehr, sehr berühmt sei und einfach nur „Icke“ hieß:
„Icke“
Ick sitze da un esse Klops
Uff eemal klopp’s
Ick kicke, staune, wundre mir,
Uff eenmal jeht se uff, de Tür,
Nanu denk ick, ick denk‘ nanu,
Jetzt isse uff, erscht war se zu?
Un ick jeh raus un blicke,
Un wer steht draußen? – Icke!
Also da war ich dann wirklich vollends von den Socken, denn das schien wirklich ein echtes Plagiat der beiden Gedichte aus Rodenbach und Wien zu sein! Ähnlicher ging’s wirklich nimmer!
Und vermutlich habe ich damals, aus einer begreiflichen Schockreaktion heraus, die zweite Hälfte der angefangenen Flasche „Grüner Veltliner“, tatsächlich in einem einzigen riesigen Schluck, ohne abzusetzen, in mich reingeschüttet und weiß daher, wenn ich ehrlich sein soll, heute echt nicht mehr genau, wie die Reihenfolge bezüglich des Zugangs zu diesen
3 Gedichten, wirklich war: ob sie tatsächlich mit der Rodenbacher Variante begonnen hat und über die Wiener Version zur Berliner Fassung ging, oder vielleicht doch umgekehrt?
Ich weiß es einfach nicht mehr, werte Rodenbacherinnen und Rodenbacher!
Und es ist mir letztlich auch vollkommen wurscht, denn entscheidend ist doch die Tatsache, dass mit diesen 3 Gedichten unabhängig von jeder Reihenfolge und jedem Faktencheck, ab diesem ‚Rodenbacher 1000-Jahr Jubiläum‘, nicht nur eine nachweisbare 8-zeilige-literarische-Achse-Rodenbach-Wien-Berlin aufgezeigt werden kann– die tatsächlich existiert – sondern, dass diese Achse (Rodenbach-Wien-Berlin), auch noch ins nächste „Rodenbacher Jahrtausend“ hineinragen wird und deshalb – wie ich meine – wirklich einen kleinen, bescheidenen Applaus verdient …!
K.H. 28. Juli 2025