
Zu verlockend ist es, wenn man schnell und ohne Einsatz reich werden kann. Viel reicher als durch seine eigene Arbeit.
Ein Nachbar hat es vorgemacht, jetzt will es ein jeder. Gleiches Recht für alle. Man muss ja nur ein wenig intelligenter sein als die anderen. Und dafür hält sich ja ein jeder.
Das Objekt der Begierde war mal die Tulpenzwiebel, die Reichtümer neu entdeckter Länder, Funde von Bodenschätze, neue Technologien. Man hat auf Krieg und Frieden spekuliert.
Immer wenn die Erwartung von überdurchschnittlichen Gewinnen und außerordentlichem Wachstum bestand oder ein Angebot-/Nachfrageverhältnis sich drastisch zu verändern oder gar aus dem Lot zu geraten drohte, sind die Spekulanten da und wetten mit hohen Einsätzen auf die Entwicklung.

So wurde die Spekulation zum Volkssport und der Anspruch „Ohne Mühe reich werden“ zum vermeintlichen Grundrecht. Und die Profis (Investmentbanken) verfügen über Systeme, deren Reaktionszeit im Bruchteil einer Sekunde über Sieg oder Niederlage entscheidet.
Und auch die renommiertesten Häuser zerplatzen bei Gelegenheit. Und dies immer wieder, praktisch seitdem es Geld gibt.
Und wer als Normalbürger da nicht mitmacht, fühlt sich als „der Dumme“. Zu groß war und ist die Versuchung mit Unternehmenswerten, Derivaten oder Zertifikaten schnell mal reich zu werden. Ob Rohstoffe oder Währungen, Schweinehälften oder Emissionsrechte.

Gier schaltet Gehirn aus. Das ist eine alte Börsenweisheit. „Ethische Unternehmen“ dürfen ihr Gehirn nicht ausschalten.
„Unethische Unternehmen“ machen das Spekulationsspiel mit. Sie fühlen sich vom Börsenkurs abhängig und unterwerfen sich den Spekulanten.
Der „shareholder value“ zwingt das Management zu eindimensionalen Denken, dafür wird es mit von spekulativen Effekten abhängigen Bonis mörderisch reich entlohnt.
Der Börsenkurs wird zum obersten Ziel. Um ihn anzufeuern, werden überragende Wachstumsziele und unrealistische Renditen verkündet. Man schaut auf das nächste Quartal und verschließt die Augen vor längerfristigen Entwicklungen. Ziel ist die Marktführerschaft (am besten das Monopol), denn nur so glaubt man die Hoffnungen der Spekulanten erfüllen zu können.

Ein „ethisches Unternehmen“ darf auf solche Mechanismen nicht hereinfallen. Es muss sich aus der Spekulation „heraus nehmen“ und ein anderes Verhältnis zu seinen Gewinnen entwickeln.
Natürlich muss in einem (noch halbwegs) freiem Wirtschaftssystem wie bei uns auch das „ethische Unternehmen“ Gewinne erwirtschaften. Es muss über einen wesentlichen Teil davon frei verfügen können.
Den Kapitaleignern eines „ethischen Unternehmens“ steht eine angemessene Dividende zu. Auch sie müssen das Recht haben, ihre Anteile frei zu veräußern. Die Kapitaleigner eines „ethischen Unternehmens“ dürfen aber keine Spekulanten sein. Sie müssen sich mit guter Rendite und einem „nicht spekulativen“ Wertzuwachs zufrieden geben. Also einem Wertzuwachs, der der realen Entwicklung des Unternehmens und nicht spekulativen Wahrnehmungen des Marktes entspricht.

Aber was sind „unanständige Gewinne“? Es ist bedenklich, wenn ein Marktführer ein Drittel seines Umsatzes Gewinn macht. Das klingt dann schon irgendwie mehr nach Ausbeutung oder Erpressung der (vielleicht sogar abhängigen) Kunden und wird langfristig nicht gut gehen.
Bei einem „ethischen Unternehmen“ sollten die Höhe des Gewinns mit dem Risiko des Geschäfts korrelieren. Wenn ich ein hoch riskantes Geschäft machen muss (das hoffentlich auf „ethischer Basis“ erfolgt), dann darf ich mehr Gewinn erwirtschaften. Ich brauche ihn ja für die Nachhaltigkeit, zum Beispiel um höhere Rücklagen für den Eintritt des Risikos zu bilden.
Die Kapitalgeber müssen auch bei einem „ethischen Unternehmen“ angemessen entlohnt werden. Bei höherem Risiko haben sie auch ein Recht auf eine höhere Vergütung. Die sollte aber in erster Linie aus dem Ertrag kommen, eine Steigerung des Firmenwertes nur ein angenehmer aber nicht eingerechneter Zusatzeffekt sein.
So muss das „ethisches Unternehmen“ einen angemessenen Gewinn erzielen. Der darf nicht zu niedrig und nicht zu hoch sein. Gewinne müssen das Kapital gerecht bedienen und im Sinne der Nachhaltigkeit investiert werden.
Jetzt höre ich Widerspruch: Das kann nicht funktionieren, denn die Kapitalisten wollen doch maximale Renditen.

Es sei noch eine Frage gestellt: Brauchen „ethische Unternehmen“ wirklich die Börse? Die benötigten Produktionsmittel bieten Sicherheit, so dass sie auch auf anderem Wege finanziert werden können, z.B. durch Banken, die laut Lehrbuch für so etwas da sind. Große Übernahmen, für die man wirklich große Finanzmittel benötigt,sollte ein „ethisches Unternehmen“ nicht anstreben. Allein schon die vielen negativen Erfahrung aus den meisten Übernahmen und Mergern lehrt dies.
Jetzt könnte der Einwand kommen: Aber wir brauchen doch die Börse für das Wachstum! Wachstum darf in einem „ethischen Unternehmen“ nicht Selbstwert an sich sein oder nur als notwendiges Mittel für die Skalierung des Gewinns gesehen werden.
Das heißt keinesfalls, dass ein ethisches System nicht wachsen soll. Im Gegenteil! Man braucht Wachstum allein schon zum Überleben, um unvermeidliche Rückgänge auszugleichen. Und da ist es eine gute Regel, lieber ein wenig mehr zu machen.
Aber das Wachstum muss Teil eines nachhaltigen Prozesses sein, der das Unternehmen stärkt, wettbewerbsfähiger und überlebensfähiger macht. Und das geht am besten, wenn man ein gesundes Wachstum aus eigener Kraft anstrebt, das man mit eigenen Gewinnen finanzieren kann.
Ein notwendige Bedingung für ein ethisches Unternehmen ist also, dass es seine aus realem Geschäft verantwortet erwirtschafteten Gewinne nachhaltig fürs Unternehmen einsetzt, seine Eigentümer angemessen am Ertrag beteiligt und jede Art von Spekulation aktiv wie passiv vermeidet.
Und im deutschen Mittelstand entdeckt man tatsächlich viele Unternehmen, die (nicht nur) dieser Bedingung genügen.
RMD
P.S.
Ich bin auch nicht sicher, ob die Börse helfen kann, die großen Infrastrukturprojekte der Zukunft zu bewältigen. Das ging zu oft schief. Die Hoffnung auf hohe Gewinne führte zu tollen Blüten und hat sich dann zu oft zerschlagen.
Viele Beispiele wie Kanalbauten, Eisenbahnen oder letztlich der Tunnel unter dem Ärmelkanal zeigen, dass solche Dinge bei staatlichen Konsortien besser aufgehoben sind. Auch die privat finanzierten Autobahnen können schnell zum gleichen Bumerang werden wie die verkauften und zurück geleasten U-Bahn-Systeme und Abwasserkanäle in manchen deutschen Kommunen.
Die Bilder sind übrigens ganz frisch (wie der Fisch), alle vom Hafen von Gythio.


