Unternehmertagebuch #46 – „Unternehmensforschung“ versus „Operation Research“

Bei einem meiner (Wissens-)Streifzüge lande ich in Wikipedia auf dem Artikel Operations Research (kurz OR ). OR, im Deutschen auch Unternehmensforschung[1] genannt, sei ein Teilgebiet der Angewandten Mathematik, das sich mit der Optimierung bestimmter Prozesse oder Verfahren beschäftigt.

Ich war verblüfft. Dachte ich doch bisher immer, Unternehmensforschung und Operation Research wären zwei verschiedene Dinge.

Der Verweis auf die Fußnote in Wikipedia bei Unternehmensforschung[1] zeigt schon die Problematik:

  1. In den späten 1960ern und frühen 1970ern wurde versucht, den Begriff „Ablauf- und Planungsforschung“ in der deutschen Sprache zu etablieren.

Ablauf- und Planungsforschung hat so in meiner Denke mit Unternehmensforschung ja kaum etwas zu tun!

Jetzt schreibe ich mal, wie ich die Dinge so begriffen habe …

Unternehmensforschung
sollte solche Fragen stellen:

Wie tickt ein Unternehmen? Wer sind die Stakeholder eines Unternehmens? Was ist Führung? Was zeichnet Führungskräfte aus? Was sind Erfolgskriterien? Wie kann Strategie den Erfolg eines Unternehmens nachhaltig sicherstellen? Wie kann man eine den Bedürfnissen des Unternehmens gerecht werdende Aufbau- und Ablauforganisation finden? Und vieles mehr …

Empirische Unternehmensforschung dazu könnte ich mir so vorstellen:

Wie verhalten sich Manager? Wie verbringen sie ihre Zeit? Gibt es eine Korrelation ihrer Eigenschaften zum Unternehmenserfolg? Was ist Unternehmenskultur? Wie entsteht sie, wie verändert sie sich? Was zerstört sie? Wie kann Unternehmenskultur gefördert werden? Welche Rolle spielen social media, Kommunikation, Veranstaltungen …? Wie stellt man sicher, dass die Menschen im Unternehmen ihre Fähigkeiten entfalten und mit ihren Aufgaben wachsen können (Empowering of People)? Und was sind die typischen Abläufe in öko-sozialen Systemen? Wie wirkt verändertes Denken auf das Unternehmen?

Operations Research
dagegen ist für mich der Versuch der „Verwissenschaftlichung“ von öko-sozialen Prozessen. Es wird versucht, Entwicklungen mit mathematischen Modellen und Algorithmen zu beschreiben. Das Geschäft soll planbar und „operabel“ umsetzbar werden. Hinter Wirkungskräften versucht man naturwissenschaftliche Gesetze zu entdecken. Mitarbeiter können wissenschaftlich analysiert und „profiled“ werden und ihr Einsatz entsprechend optimiert erfolgen.

Kritik an Operations Research

OR betrachtet ein Unternehmen wie ein deterministisches System. Das Unternehmen wird zuerst mal als steuerbare Maschine gesehen, die Input bekommt und Output erzeugt. Die Manager des Unternehmers müssen nur ihr Handwerkszeug beherrschen und an den richtigen Schrauben stehen, um das Ergebnis des Unternehmens zu optimieren. Dieser wiederum ist meistens sehr einseitig über den „shareholder value“ definiert.

So einfach ist es meiner Meinung nach nicht. Ein Unternehmen darf eben nicht ein priories eindimensionales Ziel haben. Komplizierte Mehrzielentscheidungen sind notwendig, die immer unter hoher Unsicherheit gefällt werden müssen. Wenn es um Zukunft geht, dann gibt es keine Wahrheiten und eben auch keine Berechenbarkeit.

Vielleicht kann das Wachstum eines Waldes theoretisch bestimmt werden. Wahrscheinlich aber auch nur sehr temporär und nur in einer idealtypischen Umgebung (die man natürlich nie antreffen wird). Aber das Wachsen eines Lebewesens? Das Wachsen eines Betriebes? Das Wachsen einer Volkswirtschaft?

Interessant ist auch, dass zumindest nach meinem begrenzten Einblick der Tod eines Unternehmens in der Theorie so richtig gar nicht vorkommt. In der Praxis aber um so häufiger …

Zusammenfassung

Die von mir gefühlte Unzufriedenheit mit den Begriffen „Unternehmensforschung“ und „Operation Research“ beruht letzten Endes wieder auf der Frage, was Leben und die Entfaltung von Leben in seinen sozialen, ökonomisches, kulturellen und sonstigen Dimensionen ist. Es ist der Unterschied zwischen „Kulturleben“ und „Zahlenspielen“. Zwischen dominanter Regel und zufälligen Ereignissen. Zwischen dem normierten Gleichschritt und dem Tanz der Natur. Zwischen vorherbestimmt und  gestaltbar, zwischen tot und lebendig. Zwischen Ignoranz und Offenheit.

RMD

P.S.
Alle Artikel meines Unternehmertagebuches findet man in der Drehscheibe!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Suche

Kategorien

Aktuelle Umfrage

Wie würden Sie die EURO-Krise meistern?

Ergebnisse anzeigen

Wird geladen ... Wird geladen ...
"Management braucht Führungskräfte" von Peter Gruber

"Management braucht Führungskräfte" von Peter Gruber

Arbeiten mit Sinn - Arbeiten mit Ermutigung - Arbeiten mit Aufrichtigkeit.
Carls überraschende  KI-Blindheit

Carls überraschende KI-Blindheit

Carl und Gerlinde (80) „Ist Carl wirklich so blind…? Oder will er die diversen Tretmienen auf dem Weg zu seiner…
Gerlindes plötzliche KI - Sorgen...

Gerlindes plötzliche KI - Sorgen...

Carl und Gerlinde (79) Eigentlich hatte Gerlinde keinerlei Grund zur Sorge, denn ihr Carl war wie runderneuert, seit sie ihn…
SUCHE
Drücken Sie "Enter" zum Starten der Suche