„Flüchtlingsbekämpfung, die reiche EU und das arme Afrika!“ oder „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“

Auf dem EthnoFilmFest in München habe ich den Film 7915KM – auf den Spuren der Rallye nach Dakar von Nikolaus Geyrhalter gesehen, der mich sehr beeindruckt hat. In diesem Film bin ich auf das erste Mal auf die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (kurz FRONTEX aus dem Französischen für Frontières extérieures) gestoßen. Die Frontex ist eine Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union mit Sitz in Warschau. Wenn ich es richtig verstehe, ist das eine Organisation, die nicht unter parlamentarischer Kontrolle steht. Beim Lesen des Wikipedia-Artikels habe ich noch weitere Begriffe wie Fluchtabwehr entdeckt.

Zufällig habe ich kurz danach auch noch in Bayern 2 Wissen einen Bericht gehört, der über die Zustände auf der Insel Lampedusa berichtet hat (hier auch ein Bericht aus der SZ).

Lampedusa_NordküsteLampedusa ist eine Insel südlich vor Italien und hat wegen ihres Auffanglagers für Flüchtlinge aus Afrika eine traurige Berühmtheit erlangt.

Berlusconi begründet die Notwendigkeit des harten Vorgehens gegen die Flüchtlinge durch Frontex so: Man dürfe keine Menschen aus Afrika mehr in Italien an Land lassen, weil man auf der Insel schon Zustände wie im KZ habe.

Diese Zustände werden allerdings von der italienischen Regierung verursacht, nicht zuletzt durch Verstöße gegen internationales Recht. Und alles wird von den restlichen Staaten der EU gedeckt und bezahlt.

Unsere Kanzlerin Frau Merkel wird in derselben Sendung zitiert, wie sie in diesem Zusammenhang den Begriff der Flüchtlingsbekämpfung verwendet. Was für ein Wort!

Die Bundesregierung kümmert sich auf ihre Art um Flüchtlinge. So hat sie am 3. September 2008 einen Gesetzesentwurf verabschiedet, mit dem die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums (DHM) errichtet wird. Wer meint, diese Stiftung käme genau zur richtigen Zeit und würde auf die skandalösen Zustände um die Flüchtlinge aus Afrika hinweisen, der irrt.

Da wird lieber kräftig gestritten, ob Erika Steinbach als Mitglied im Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zu akzeptieren ist. Ansonsten begnügt man sich, z.B. das Unrecht darzustellen, das den Sudetendeutschen vor mehr als 60 Jahre zugefügt wurde. Das mag alles richtig sein, aber das ist auch alles Vergangenheit.

Zu dem Unrecht, das wir in der Gegenwart an Flüchtlingen begehen, wird geschwiegen! Wenn die Stiftung eine Existenzberechtigung haben will, dann muss sie jetzt und heute sehr laut ihre Stimme erheben. Und dann wäre eine Dokumentation und Ausstellung angesagt, die das Flüchtlingselend der Afrikaner in Italien und auf dem Mittelmeer dokumentiert. Und vor allem wie brutal und unbarmherzig sich die reiche (?) EU da verhält.

Ich fürchte, dass das aber nicht passieren wird. Diese Stiftung ist ein politischer Kompromiss und wurde dem Druck diverser Lobbies folgend ermöglicht. Das Elend von Flüchtlingen von heute interessiert sie nicht.

Flüchtlingselend ist Flüchtlingselend, ganz gleich ob der Flüchtling vor Hunger, Krieg, Folter, Unterdrückung flieht oder einfach von neuen Herrschern aus dem Land geschickt wird.

RMD

P.S.
Das Bild zeigt die steil abfallende, felsige Nordküste von Lampedusa. Es ist vom Oktober 2002, fotografiert hat es Hans Bickel, der es unter der Lizenz GNU-FDL in Wikipedia veröffentlicht hat. Danke!

9 Antworten

  1. Dear Roland, of course you are right. Discrimination according to nationality is the greatest unfairness among humans in the world. But do you really honestly want to eliminate it? Really? The way things are in the world at present, if the rich countries opened their borders there would be huge population movements. No doubt most of the immigrants would be humble enough to do jobs corresponding to their poorer education (and often not knowing the language), but quite a lot would just want to take what they could. Where would one find enough reliable police to control the situation?
    Due to Mandela, Tutu and de Klerk, South Africa is now the surprisingly good result of something like this and is still pretty violent. Zimbabwe is a much worse case.
    I remind you all that I am not racist. It really has nothing to do with race, but everything to do with upbringing, education, beliefs and customs.
    We have a sort of Darwinian evolution of nations and their societies. Some do better than others. This may be at the expense of others, or may be internally generated wellbeing. War which favours the technologically advanced, and reproduction rate (coupled with disease resistance) have been the main selection mechanisms in the past. But recently considered choice of a way of life has functioned e.g. at the end of the Soviet Empire. These mechanisms have brought wellbeing to the rich countries. I suspect that fully open borders would ruin this, while bringing only temporary relief.
    Of course Roland you are right to criticise needless cruelty, but are you really in favour of opening the borders? If not, you should not be hard on Merkel for trying to limit immigration.

    P.S. Again my preference for the truth has triumphed over my respect for those who try to do good without bothering about the truth. But it was a close thing this time. Sadly this is not well written.

  2. Dear Chris – there is no truth – es gibt keine Wahrheit, bestenfalls Gewissheiten. Und das schlimmste sind Menschen, die Entscheidungen fällen, weil sie meinen, im Besitz der Wahrheit zu sein.

    Zu den Flüchtlingen: Was mit Europa passiert, wenn viele zu uns kommen weiß keiner. Wahrscheinlich sehr viel Gutes. Und wir können das beeinflussen. Aber wir haben Angst – wahrscheinlich völlig zu unrecht.

    Versetze Dich aber mal in die Lage eines Flüchtlings? Der hat auch Angst – aber wahrscheinlich zu Recht.

    Ich glaube, dass da viel Xenophobie (Angst vor dem Fremden) im Spiel ist. Bei Dir und Frau Merkel und den Völkern Europas. Angst kommt auch aus dem Unterbewusstsein. Und wahrscheinlich suchst Du nach rationalen Argumenten um die Meinung Deines Unterbewusstseins zu artikulieren.

    Ich nehme mal an, dass alle Menschen Rassisten sind, weil es die Natur so vorgibt. Auch Du und ich.

    RMD

  3. „Flüchtlingsbekämpfung“ und laissez-faire-Einwanderungspolitik sind ja nicht die einzige Möglichkeiten, die offen stehen, auch wenn es in Chris Beitrag so dargestellt wird. Warum lässt du dich auf diesen Scheinwiderspruch ein?

    Eine effiziente Entwicklungspolitik und Maßnahmen, die die Wanderer schon in ihren Heimatländern zum Bleiben ermutigen (oder vom Ziehen entmutigen) sind sicherlich die deutlich günstigere und hilfreichere Alternative, als ein ständiger Strom von Menschen, die über die halbe Erde ziehen, um anschließend Geld in ihre Heimat zu überweisen.

    Das gilt insbesondere dadurch, dass die Wanderer überwiegend junge, gut ausgebildete Menschen sind, also diejenigen, die in ihrer Heimat dringend gebraucht würden, um den Aufbau voranzutreiben.

    Die Politik der EU ist stark fragwürdig. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist durch Drittwirkung stärker ausgeprägt und stärker geschützt als die Personenverkehrsfreiheit. Aber auch unter diesen Umständen ließe sich, wenn man das Kapital in Entwicklungsländer fließen ließe, ein Ausgleich herstellen.

    Aber im Moment scheint es auf eine merkwürdige Kombination aus Wanderung und Transfers hinauszulaufen: Man lässt einen gewissen Teil einwandern, um billige Arbeitskräfte zu haben, diese wiederum überweisen Geld in ihre Heimat und stellen dabei Mittel zur Verfügung, die möglicherweise mehr erreichen, als die staatlich organisierte Entwicklungshilfe.

  4. Ich stimme Enno zu. Im Artikel wollte ich nur den Widerspruch herausarbeiten: Zum eine eine Stiftung gegen Flucht zu eröffnen und völlig gegensätzlich Handeln. Das finde ich eine Heuchelei, die mir zuwider ist.

  5. Dear Enno, yes, I was rather provocative. I wanted to point out that it is too easy to condemn Lampedusa, without considering the alternatives. Obama, of whom I highly approve, has run into similar problems with Guantanamo.
    I expected Roland to back off from the view he seemed to have. I was surprised that his answer said nothing against open borders for Europe. Maybe he has now backed off a bit, but not really enough („völlig gegensätzlich Handeln“). Germany and Europe do a little bit for the bitterly poor, (not only for refugees). I wish they would do much more. Perhaps 30% of the taxes could go on this without starting a financial downward spiral. But this will not happen. I think Merkel does about as much as she can. Even the good brilliant motivator Obama does not manage more. Incidentally, in the context of Lampedusa, we are talking about refugees from poverty, rather than political or religious victims.
    I find the mentioned organisation mostly OK, if it really is intended to promote friendship between current and earlier inhabitants (and their descendents) of the areas that were German, but are now Polish; (together with other similar cases in Europe). Of course it is ridiculous for Erika Steinbach to insist on taking a prominent position in this if the Poles object to her. The government sees it like that too, even if Merkel leaves it to Westerwelle to put the boot in.

    Dear Roland, perhaps there is no absolute truth, but one can still search for truth.
    I suppose you were joking when you suggested I was motivated by Xenophobia. I can say that Xenophobia is completely foreign to me! As far as I know, your whole life, except for holidays, has been spent in Bavaria, and you are chief of a firm that seems to employ mostly Bavarians. I have chosen to spend most of my life surrounded by bloody foreigners, including both my wives and almost all my current friends. (If not exactly choice, at least I did not avoid it). Both my daughters have grown up with English as third language.
    You may be racist, but I am not. For instance, before I married I had two girlfriends of African ancestry, whom I still remember with affection. Yes, „Nature“, i.e. evolution, has caused racism, just as it has caused everything else. But it is not a general rule. Different races tend to breed when they get together.

  6. Es gibt eine Regel in der Psychologie: Je mehr man etwas von sich weist und überzeugt ist, dies auf keinen Fall zu sein, desto mehr ist man es innerlich. Man findet sein eigenes Gefühl so negativ, dass man sich mit Kräften dagegen währt und sich selbst überzeugt, das Gegenteil davon zu wollen.

    In jedem von uns lauern Abgründe, vor denen wir uns fürchten und die wir unterdrücken.

    Xenophobie ist dagegen etwas ganz normales. Sie gehört zur „Grundausstattung“ eines jeden Menschen.

    Warum finden wir es nicht damit ab und gehen vernünftig mit diesen uns angeborenen irrationalen Ängsten um?

  7. Roland, what sort of style is that, to ignore factual arguments, and instead write about a „law of psychology“. My father believed in Freud as a wise man (not just an originator), but even at school I knew that Freud got a lot wrong, and that his ideas were dubious away from the Viennese bourgeoisie. I expect you got your law of psychology from him. Perhaps the German speaking world took longer to view him rationally.

  8. Dear Chris, es geht nicht um Fakten oder Freud. Ich habe erfahren, dass Menschen sich selbst am meisten fürchten und deshalb oft nach außen genau das Gegenteil von dem Verkörpern, was sie im innersten fühlen. Und das ganze läuft oft noch ganz unbewusst.
    Xenophobie (Angst vor dem Fremden) steckt halt nun mal jedem von uns, wahrscheinlich als Teil unserer geerbten Überlebensstrategie. Und natürlich mögen wir das als aufgeklärte Menschen gar nicht. Aber warum gehen wir das nicht gelassen an? Wir sind doch alle nur menschliche und fehlbare Wesen!
    Und ich glaube tatsächlich nicht, dass es weltweit auch nur einen Menschen gibt, der frei von jeder Art von Xenophobie wäre. Du wärst der erste und einzigste.
    Dazu noch ein Beispiel: Wahrscheinlich sind alle Menschen zu einem gewissen Anteil homosexuell. Das dürfte auch ganz normal sein. Aber ich höre schon den Aufschrei von den Menschen, die (völlig unterbewusst) Angst davor haben, sie könnten homosexuell sein und alles dafür tun, diese Möglichkeit überhaupt nicht irgendwie hochkommen zu lassen.

  9. Vielleicht doch noch eine Ergänzung zu dieser ein wenig unteroptimalen Kommentarfolge:

    Xenophobie hat nichts mit Rassismus zu tun. Im Gegenteil, ich finde es unredlich, Rassismus durch Xenophobie erklären zu wollen. Xenophobie ist eine menschliche Urangst, Rassismus empfinde ich als ein traditioniertes Verhaltensmuster, dass ich persönlich als massiv unethisch empfinde.

    Die Aussage meines Artikel war und ist, dass wir in der EU Flüchtlinge auf eine Art und Weise behandeln, die durch nichts zu rechtfertigen ist! Und gleichzeitig eine Stiftung und ein Mahnmal bauen, das auf das Schicksal von Flüchtlingen hinweisen soll.

    Diese Situation empfinde ich als absurd, geheuchelt und unredlich. Zudem die begleitenden Umstände einen revanchistischen Beigeschmack haben.

    Zu den Kommentaren:

    Ein Kommentar, der versucht zu rechtfertigen, dass wir Flüchtlinge abweisen müssen, hat entweder die Aussage meines Artikels nicht verstanden oder ignoriert sie bewußt. Er geht dialektisch ins Leere. Wenn wir wirklich der Meinung sind, dass wir Flüchtlinge abweisen müssen, dann könnten wir das auch auf menschliche Art und Weise tun.

    Auch tut es mir fast weh, wenn in einem Artikel in wenigen Sätzen die Xenophobie in Rassismus transformiert wird. Das ist genau die Basis demagogischer Dialektik.

    Deswegen noch ein (letzter) Erklärungsversuch: Xenophobie heißt Angst vor dem Fremden. Die Zukunft ist uns fremd, so haben wir Angst vor ihr, so wie wir auch Wandel und Veränderung fürchten.

    Natürlich haben wir Angst vor dem Ende der fossilen Mobilität (obwohl das sehr auch sehr schön sein könnte), vor neuen politischen Machtstrukturen (China und Indien als die führenden Weltmächte), vor den aufgrund der Klimakatastrophe unvermeidlichen Migrationsströmen (die wohl nur noch durch Kriege vermeidbar sind, die wir aber verlieren werden) und auch vor einer neuen globalen Welt, die sich nicht auf Ausbeutung und Handel beschränkt, sondern das Miteinander erfordert und mit sich bringen wird.

    Und aus der Angst vor dem Wandel heraus schützen wir unser vermeintlich so kleines Europa vor Migration, dies mit sehr unethischen Mitteln und überlegen uns nicht mal ansatzweise, wie wir die Situation proaktiv für alle nutzen können.

    Ich muss zu diesem Thema wohl mal einen eigenen Beitrag schreiben 🙂

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